Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Verfluchten

Die Verfluchten

Titel: Die Verfluchten
Autoren: Wolfgang Hohlbein
Vom Netzwerk:
herauszureißen.«
Seth betrachtete ihn einen Herzschlag lang stirnrunzelnd, dann
wandte er sich wieder an Meruhe. Laut fuhr er fort: »Es ist genug,
Isis. Zwing mich nicht, auch noch das Blut dieser beiden zu vergießen.«
Wieder erschien ein kurzes, bitteres Lächeln auf Meruhes Gesicht
und erlosch genauso schnell, wie es gekommen war. Sie schwieg
weiter.
Abu Dun grunzte wütend und versuchte erneut, den Griff des Unsterblichen zu sprengen, doch auch jetzt wieder mit dem gleichen
Ergebnis. Der schlanke Riese hielt ihn ohne die geringste Mühe nieder, und Andrej wusste, dass es ihn ebenso wenig Mühe gekostet
hätte, Abu Dun das Genick zu brechen.
»Lass ihn los, Sobek«, sagte Seth laut. Der Angesprochene zögerte
zwar kurz, ließ Abu Dun dann aber tatsächlich los und trat rasch einen halben Schritt zurück. Der Nubier blieb noch einen Augenblick
auf den Knien hocken, stand dann umständlich auf, massierte seine
schmerzende Schulter und warf dem Unsterblichen hinter sich einen
wütenden Blick zu, war aber diesmal zumindest klug genug, es dabei
zu belassen.
Also?, dröhnte Seths Stimme zwischen Andrejs Schläfen. Er sprach
nicht laut, schien aber aus irgendeinem Grund Wert darauf zu legen,
dass Andrej seine Worte verstand; und Abu Dun offensichtlich auch,
denn der drehte sich verwirrt um und maß erst ihn, dann Andrej und
Meruhe mit einem unsicheren Blick. Es ist deine Entscheidung, Isis.
Es hat lange genug gedauert.
»Du hast kein Recht dazu«, flüsterte Meruhe. »Niemand hat ein
Recht…«
Du hattest kein Recht, es zu tun, unterbrach Seth sie, diesmal aber
mit so dröhnender, zorniger Stimme, dass Andrej sich unter seinen
Worten krümmte. Wir haben dich lange genug gewähren lassen.
Entscheide dich. Stirb zusammen mit deinen Freunden oder gib uns,
was wir wollen. Er schüttelte zornig den Kopf. Das Ergebnis bleibt
gleich.
Meruhe zögerte noch einen allerletzten Moment, und obwohl Andrej nicht einmal in ihre Richtung sah, spürte er die entsetzliche Qual,
die sie in diesem Augenblick litt. Schließlich aber nickte sie und trat
mit hängenden Schultern und gesenktem Kopf einen Schritt zur Seite.
Horus! Anubis!, befahl Seth.
Zwei der weiß gekleideten Riesen lösten sich lautlos von ihren
Plätzen und traten an den Sarkophag heran. Ohne die geringste sichtbare Mühe hoben sie den steinernen Deckel ab und warfen ihn so
achtlos zu Boden, dass er dröhnend in Stücke sprang. Meruhe fuhr
zusammen, als hätte sich ein glühender Dolch in ihren Leib gebohrt,
schwieg aber weiter und sah ebenso wie Andrej und Abu Dun wortlos zu, wie die beiden Unsterblichen in das gewaltige steinerne Behältnis griffen und einen zweiten, aus purem Gold gefertigten Sarkophag heraushoben, der die Form eines menschlichen Körpers hatte.
Die Totenmaske darauf zeigte ein edel geschnittenes Gesicht, das
irgendetwas in Andrej berührte.
Meruhe wandte sich mit einem unterdrückten Schluchzen ab, als
die beiden Unsterblichen den Sarkophag ablegten und dann damit
begannen, ihn rücksichtslos aufzubrechen.
Es wird Zeit für euch, zu gehen, dröhnte Seths Stimme in Andrejs
Gedanken. Draußen warten zwei Pferde und ausreichend Wasser
und Vorräte auf euch. Kehre in deine Heimat zurück, Andrej. Und
nimm diesen Piraten mit.
Andrej starrte den Unsterblichen nur feindselig an, drehte sich noch
einmal zu Meruhe um und berührte sie sanft an der Schulter. »Und
du?«
Meruhe schüttelte den Kopf, ohne ihn anzusehen. Ich muss sie begleiten, Andrej. Es tut mir Leid.
Andrej schwieg. Er hatte es gewusst, aber er war es sich selbst
schuldig gewesen, diese Frage zu stellen.
Geht jetzt!, wiederholte Seth. Seltsamerweise schien seine Stimme
leiser geworden zu sein, aber er klang zugleich auch ungeduldig,
zornig. Es war ein Zorn, den kein Mensch auf dieser Welt heraufbeschwören wollte, auch kein Unsterblicher. Dennoch drehte sich Andrej noch einmal zu ihm um und fragte: »Was werdet ihr mit ihr tun?«
    Nichts, was dich etwas anginge, antwortete Seth kalt. Aber ich kann
dich beruhigen. Wir würden einer von uns nie etwas zu Leide tun.
Tief in sich spürte Andrej, dass das die Wahrheit war. Trotzdem
sagte er: »Wenn du ihr etwas antust, Seth, komme ich wieder. Ich
weiß noch nicht, wie, und ich weiß nicht, wann, aber ich schwöre dir,
dass ich dich und die anderen töte, wenn du ihr auch nur ein Haar
krümmst.«
Er sah aus den Augenwinkeln, wie Abu Dun zusammenfuhr, doch
Seths Reaktion war völlig anders, als er erwartet hatte. Der Unsterbliche wurde nicht
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher