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Die verbotenen Evangelien: Apokryphe Schriften

Die verbotenen Evangelien: Apokryphe Schriften

Titel: Die verbotenen Evangelien: Apokryphe Schriften
Autoren: Katharina Ceming Jürgen Werlitz
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Thomastradition im östlichen Syrien – auch deren Schrifttum wird noch genauer dargestellt – sowie die Johannestradition, die in syrischen Randgebieten zu Hause war, deren Schriften zum Teil kanonisiert wurden, zum Teil nicht. Ferner gab es eine ausgeprägte Tradition der 12 Apostel, die sich in den verschiedenen Apostelgeschichten niederschlug. Im 2. Jahrhundert machten viele gnostische Gruppen ausgiebig Gebrauch vom Namen der Apostel, wenn sie Schriften verfassten, um diesen damit apostolische Autorität zu verleihen. Nahezu jeder Apostel wurde durch die Apokryphen zum Verfasser einer eigenen Schrift.
    Dass es sich dabei aber nicht um einen unüblichen Akt handelte, der unlautere Absichten des eigentlichen Schreibers dokumentierte, zeigt ein Blick in die Geschichte. Wollte man einer Schrift besonderes Gewicht verleihen oder wähnte sich der Verfasser im Einklang mit der Lehre einer berühmten Persönlichkeit, wurde der Name dieser Person als Urheber des Werkes angegeben. Solche Texte finden sich unter anderem auch im neutestamentlichen Kanon, denn einige der Paulus zugeschriebenen Briefe stammen nicht von ihm selbst. Man bezeichnet sie heute als Deuteropaulinen, als zweite Paulusschriften. Dazu rechnet man den Epheserbrief, den Kolosserbrief, den zweiten Thessalonicherbrief. Ähnliches gilt für die Pastoralbriefe, den ersten und zweiten Petrusbrief, den Judasbrief und den Jakobusbrief. Sie alle stammen nicht von den Personen, deren Namen sie tragen.
    Aber auch in anderen Bereichen der antiken Literatur findet sich dieses Phänomen. So waren z. B. unzählige philosophische Schriften unter den Namen großer Denker im Umlauf, die diese nie verfasst hatten.
E NTSTEHUNG DER KANONISCHEN E VANGELIEN
    Wie bereits angesprochen, verdanken die kanonischen Evangelien ihre Entstehung dem Interesse einer Gemeinde am Leben und Lehren Jesu. Für gewöhnlich wurde ein Evangelium für eine bestimmte Gemeinde verfasst. Es handelte sich dabei also um Schriften, die auch auf die Probleme, Fragen und Glaubensvorstellung einer bestimmten Gruppe, nämlich für die sie geschrieben wurden, eingingen. Jedes der kanonischen Evangelien spiegelt einen ganz speziellen sozio-kulturellen Hintergrund wider, der deutlich in der Konzeption und Darstellung des Lebens und Verkündens Jesu zum Tragen kommt. Dabei konnten die Verfasser der Evangelien auf bereits vorhandene Stoffe und Sammlungen zurückgreifen. Wichtig ist hierbei, dass es den Evangelisten nicht um eine möglichst genaue historische Wiedergabe des Lebens Jesu ging, sondern um die Heilsverkündigung Jesu. Die Stärkung und Verbreitung des Glaubens an Jesus Christus war das Ziel und die Absicht dieser Schriften.
    Bei der Betrachtung der vier kanonischen Evangelien lässt sich ein großer Unterschied zwischen Markus, Matthäus und Lukas auf der einen Seite und Johannes auf der anderen Seite feststellen. Der Unterschied liegt darin, dass das Johannesevangelium eine eigene Darstellung des Lebens und Wirkens Jesu gibt, die ohne erkennbare Einflüsse der anderen drei Evangelien ist, während die anderen drei Evangelien sehr stark von einander abhängen. Genauer gesagt, Matthäus und Lukas weisen eine deutliche Abhängigkeit von Markus auf. Diese Abhängigkeit und Ähnlichkeit lässt sich sehr leicht zeigen, wenn man die Texte in Spalten angeordnet nebeneinanderstellt und vergleicht. Dabei erhält man eine Zusammenschau der Texte. Der griechische Begriff für Zusammenschau lautet Synopse.
    Seit Ende des 18. Jahrhunderts, mit Beginn der kritischen Bibelwissenschaft, werden die ersten drei Evangelien auch als synoptische Evangelien bezeichnet bzw. deren Verfasser als Synoptiker. Beim Vergleich der drei Evangelien hatte man bemerkt, dass der Stoff des Markus auch bei Matthäus und Lukas vorhanden war, und dass Matthäus und Lukas gemeinsame Passagen hatten, vor allem im Bereich der Jesus-Sprüche, die nicht bei Markus zu finden waren. Ferner gab es Stellen bei Matthäus und Lukas, die nur bei diesen beiden vorkamen.
    Seit dem Entstehen der kritischen Bibelwissenschaft wurden vier verschiedene Theorien entwickelt, um dieses Phänomen der Abhängigkeit zu erklären. Die erste und älteste ging von einem nicht erhaltenen aramäischen Urevangelium aus, das von den Synoptikern eigenständig übersetzt wurde. Eine Erweiterung dieser These – sie wurde Traditionshypothese genannt – vermutete, dass die Übersetzer den Text bearbeiteten. Sie nahm ein mündliches Evangelium an, das von den einzelnen
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