Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die verbotenen Evangelien: Apokryphe Schriften

Die verbotenen Evangelien: Apokryphe Schriften

Titel: Die verbotenen Evangelien: Apokryphe Schriften
Autoren: Katharina Ceming Jürgen Werlitz
Vom Netzwerk:
Evangelisten übersetzt, umgestaltet und schriftlich fixiert wurde. Die dritte Hypothese, die so genannte Fragmentenhypothese, ging davon aus, dass verschiedenste Einzeltexte bekannt waren und von den Evangelisten gesammelt und eigenständig und damit verschieden angeordnet wurden. Der letzte Erklärungsversuch ging nun einen anderen Weg als die ersten drei. Hier wurde eine direkte Abhängigkeit der Evangelien durch gegenseitige Benutzung untereinander angenommen. Es gab dabei verschiedene Thesen, wer wen zum Vorbild gehabt hatte. Deswegen spricht man hier von der Benutzungshypothese. Aus dieser Hypothese entstand die heute in der Exegese, der Bibelauslegung, anerkannte Zweiquellentheorie. Denn allen zuvor genannten Theorien haftete das Manko an, nicht erklären zu können, weswegen bei Lukas und Matthäus Stoff vorkommt, den beide mehr oder weniger identisch verwenden, den Markus aber nicht kennt.
D IE S PRUCHQUELLE
    Die Zweiquellentheorie geht von zwei Quellen für die Entstehung der synoptischen Evangelien aus. Die erste Quelle ist das Markusevangelium, die zweite Quelle stellt eine allein aus den Evangelien des Matthäus und Lukas rekonstruierte Spruchsammlung dar, die in der Forschung Logienquelle genannt und in der Regel mit Q abgekürzt wird. Diese Sammlung wurde beim Vergleich der Synoptiker entdeckt. Bei der Durchsicht von Lukas und Matthäus stellt man nämlich fest, dass nur ein kleiner Teil des Markusstoffes nicht übernommen wurde. Auch in der Reihenfolge der Erzählungen weichen niemals beide gemeinsam von ihrer Vorlage ab. Einer übernimmt immer die markinische Anordnung. Gemeinsam ist Lukas und Matthäus auch, dass sie sachlicheund sprachliche Verbesserungen an ihrer Markusvorlage vornahmen. Anhand dieser Punkte erscheint es wahrscheinlich, dass das Markusevangelium das älteste ist, das von den anderen als Vorlage benutzt wurde, die sie jedoch nach eigenen Maßgaben veränderten.
    Daneben findet sich ein nicht unerheblicher Teil von Jesus-Sprüchen, die Markus nicht kennt, die Lukas und Matthäus jedoch beide oftmals in Wortlaut und Reihenfolge identisch wiedergeben. Aufgrund dieser Tatsache geht die Exegese von der Vorlage einer schriftlichen Spruchsammlung aus, auf die beide zurückgreifen konnten. Bis heute hat man aber nirgendwo eine solche Sammlung finden können. Seit der Entdeckung der Nag Hammadi Bibliothek mit ihren Schriften, scheint es jedoch gesichert, dass diese Sammlungen existierten. Dem koptischen Thomasevangelium liegt nämlich eine solche Spruchsammlung zugrunde. Die von den Synoptikern verwendete Quelle Q war vermutlich eine griechische Übersetzung des ursprünglich aramäischen Originals. Sie ist sicher älter als das Markusevangelium und enthielt überwiegend Redestoff, aber so gut wie keine Erzählungen, ebenso fehlte die Leidensgeschichte Jesu. Ein weiterer Tatbestand scheint für die Existenz von Q zu sprechen. Es lassen sich sowohl bei Matthäus als auch bei Lukas Doppelüberlieferungen aufweisen. Diese Dubletten bezeichnen Texte, die ein Evangelium zweimal hat. Einmal übernahmen die beiden Synoptiker den Text von Markus, das andere Mal aus einer Quelle, die Markus nicht zur Verfügung stand.
    Daneben bleibt ein kleiner Restbestand bei Lukas und Matthäus, der dem jeweiligen Evangelium eigen ist, d. h. er findet sich in keinem anderen Evangelium. Diese Teile bezeichnet man als Sondergut.
    Für die Spruchquelle stellt sich nun die Frage: Handelt es sich um eine eigene Gattung oder nur um eine Zusammenstellung von Aussagen Jesu mit kurzen Erzählpassagen? Sollte man sie als Halbevangelium bezeichnen, wie dies einige Exegeten fordern? Betrachtet man den religionsgeschichtlichen Hintergrund, so scheint es doch eher so, dass man von einer eigenen Gattung sprechen kann, denn bereits in der jüdischen Weisheitsliteratur lassen sich solche Sammlungen nachweisen und in der Gnosis erfreuten sich diese großer Beliebtheit. Aus den Nachbildungen bei Lukas und Matthäus – die in Klammern genannten Stellen bei den Synoptikern entsprechen vermutlich der Spruchquelle – lässt sich folgenderInhalt erschließen. Q beginnt mit einer Darstellung der Anfänge Jesu (Lk 3,2–4,13), auf welche die Feldrede (Bergpredigt bei Mt) folgt (Lk 6,20–26). Die Geschichte des heidnischen Hauptmanns von Kaparnaum wird aufgenommen (Lk 7,1–10). Hier zeigt sich bereits die Einbeziehung des Heidentums in das Heilsgeschehen. Es folgen die Täufersprüche (Lk 7,18–30) und Aussagen über die Nachfolge und
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher