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Die verbotenen Evangelien: Apokryphe Schriften

Die verbotenen Evangelien: Apokryphe Schriften

Titel: Die verbotenen Evangelien: Apokryphe Schriften
Autoren: Katharina Ceming Jürgen Werlitz
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anderen durchgesetzt hatte. Realiter existierten im Christentum der ersten zwei Jahrhunderte verschiedenste Gruppierungen und Anschauungen bezüglich der wahren Lehre Christi, von denen eben noch keine die absolute Macht hatte, den anderen den Rang des Christseins abzusprechen. Die gnostischen Christen selbst sahen sich ja nicht als außerhalb der christlichen Tradition Stehende, zwar gab es eigene gnostische Zirkel und Gemeinden, aber ein Teil von ihnen lebte auch in den bestehenden kirchlichen Gemeinden, die nicht gnostisch ausgerichtet waren, mit. Die christlich-gnostischen Texte sind damit nicht nur eindrucksvolle Zeugnisse christlicher Literatur, sondern sie spiegeln ebenso die Breite der christlichen Tradition dieser frühen Zeit wider.
    Die Ablehnung und Verdammung der Gnostiker als Häretiker durch kirchliche Autoritäten, z. B. Bischöfe, Kirchenväter u. a., hatte ihre Wurzeln sowohl in einem unterschiedlichen Verständnis dessen, wie die Nachfolge Jesu und das Leben der Christen auszusehen hätte, als auch in der häufig unterschiedlichen Ausdrucksweise der gnostischen Schriften selbst. Die gnostischen Christen sahen sich nicht außerhalb der christlichen Tradition, im Gegenteil, oftmals verstanden sie sich als die wahren Christen.
    Des Weiteren liegt die Bedeutung der Nag Hammadi Handschriften vor allem darin, dass in ihnen Werke überliefert sind, von deren Existenz man bis dato gar nichts wusste oder nur durch einzelne Zitate verschiedener Kirchenväter unterrichtet war. Die durch die Kirchenväter überlieferten Bruchstücke wurden meistens aus rein apologetischem Interesse angeführt, d. h. man zitierte dieseSchriften nur, um die darin enthaltenen Lehren anzuprangern oder lächerlich zu machen. Manchmal wurde dabei deren Sinn nicht erkannt und bewusst oder unbewusst verstellt, so dass das aus diesen Schriften rekonstruierte Bild der christlichen Gnosis oft nur ein Zerrbild darstellte.
    Worin liegt nun der Unterschied der christlich-gnostischen Schriften zu denen, die uns im Neuen Testament entgegentreten? Die wesentliche Differenz besteht in der jeweiligen Beantwortung der Frage, wie das Heil des Menschen erlangt werden kann. Für die christlichen Gnostiker war nicht der Glaube das ausschlaggebende Instrument, sondern das Wissen. Zu diesem Wissen gehörte in erster Linie die Erkenntnis, was der Mensch in sich und an sich sei. Gefordert war Selbsterkenntnis. Die Aufgabe Christi in seinem irdischen Wirken bestand darin, diese Erkenntnis zu vermitteln und den Menschen zu ihr zu führen. Die Vorstellung der Rechtfertigung und Heilserlangung des Menschen durch den Glauben an Tod und Auferstehung Jesu teilte die Gnosis also nicht. Nicht durch Jesus, sondern durch wahre Selbsterkenntnis, die Jesus vermittelt, konnte das Heil erlangt werden. Durch Unwissenheit entfernte sich die menschliche Seele von ihrem Ursprung, Gott, und verstrickte sich immer mehr im Materiellen bis sie letztendlich in dieser Welt in einem körperlichen Leib geboren wurde. Diese irdische Welt ist wie alles Materielle nicht wahrhaft an sich seiend, sie ist nur Trug und Illusion, die es zu überwinden gilt, um wieder in die lichthafte Welt des Göttlichen aufzusteigen. Die Gnosis rang um eine sinnvolle Erklärung von Leid und menschlichem Leben mit all seinen Schwierigkeiten. Das Geworfensein in eine Welt von Schmerz und Unrecht wurde ihr zum Problem, das nicht durch die Antworten der sich langsam etablierenden Kirche zu befriedigen war.
    Dass die Antworten der Gnosis eine nicht zu leugnende Nähe zu den östlichen Religionen aufweisen, wurde schon von verschiedenen Seiten gezeigt. Insbesondere die Betonung der Selbsterkenntnis, und damit einhergehend der Aspekt der Selbsterlösung, lassen die Parallelen deutlich werden. Unklar ist, ob es direkte Einflüsse des Ostens auf die Gnosis gab, denn historisch lassen sich diese nirgendwo bezeugen. Man muss aber festhalten, dass der Austausch zwischen dem Vorderen Orient, Kleinasien und Griechenland auf der einen Seite und Asien auf der anderen Seite auch ohne moderne Kommunikations- undReisemittel weit ausgeprägter war, als wir uns dies heute vorstellen können. Dennoch scheint es, dass die Ähnlichkeit der Antworten, die die Gnosis und die östlichen Weisheitslehren auf die Fragen nach dem Sinn des menschlichen Daseins gaben und geben, eher in der Universalität des menschlichen Geistes begründet sind als in einer historischen Abhängigkeit.

2. D IE KANONISCHEN E VANGELIEN
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