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Die unsichtbare Pyramide

Titel: Die unsichtbare Pyramide
Autoren: Ralf Isau
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doch zu gerne, warum Ihr den Feen Gras stehlt, anstatt etwas Nützliches mitgehen zu lassen.«
    Der Böttcher starrte den Fragesteller nur an, brachte jedoch kein Wort hervor. Was hätte er auch antworten sollen?
    Plötzlich drehte der Reiter seine Lanze um und bohrte sie in die Soden.
    Beorn zuckte sichtlich zusammen und rief entsetzt: »Hört sofort auf damit! Wenn Ihr es unbedingt wissen wollt, dann gut. Aber Ihr dürft es niemandem verraten.«
    Der dunkle Reiter grinste. »Ich kann es kaum erwarten, Euer Geheimnis mit Euch zu teilen.«
    Der Böttcher senkte den Blick. »Meine Frau ist unfruchtbar. Wir haben keine Kinder, obwohl wir uns sehnlich welche wünschen.« Beorn schaute dem Reiter unvermittelt ins Gesicht. »Ihr selbst sagt, das Gehölz da drüben sei ein Zauberwald. Könnt Ihr da nicht verstehen, wenn wir es wenigstens versuchen wollen?«
    »Was versuchen?«
    »Nun, wenn wir unser Lager mit diesen Soden auspolstern und uns darauf…« Beorn sah wieder zu Boden und schwieg.
    Der Fremde brach in schallendes Gelächter aus. »Ihr wollt Euch mit Eurem Weib auf dem Feengras lieben, damit es Euch ein Balg schenkt?« Er schüttelte ungläubig den Kopf, fügte aber hinzu: »Die Idee ist gar nicht so schlecht! Muss ich mir merken.«
    »Lasst Ihr mich jetzt gehen?«, fragte Beorn leise.
    Der dunkle Reiter wedelte mit der freien Hand. »Nur zu! Eilt Euch, damit das Gras nicht welk wird. Ihr solltet ohnehin im Dorf sein, wenn die Nacht hereinbricht. Wir leben in unsicheren Zeiten.«
     
     
    Die Hütte des Böttchers von Annwn lag in einer Mulde am Dorfrand, gleich hinter dem Wehrzaun aus angespitzten Pfählen. Abgesehen von Helm, dem Schmied, der ihm von weitem zuwinkte, bemerkte niemand sein Kommen.
    Seit dem Verlassen des Hohlweges hatte Beorn immer wieder besorgte Blicke auf seine Grassoden geworfen, weil aus dem Haufen ein seltsames blaues Licht drang, nicht ständig, aber doch beunruhigend oft. Hoffentlich hatte der dunkle Reiter es nicht bemerkt.
    Beorn führte sein Pferd hinter die Hütte, wo das Dach von einer ausladenden Linde überragt wurde. Dort glaubte er sich unbeobachtet. Schnell nahm er die erste Grasmatte von dem Gestell. Ein grelles blaues Licht schlug ihm entgegen.
    »Was hast du da?«
    Die strenge Stimme ließ Beorn zusammenfahren. Verschämt drehte er sich um. Hinter ihm stand Idana, die Fäuste in die Seiten gestemmt, argwöhnisch den leuchtenden Grashaufen beäugend. Des Böttchers Frau besaß eine zierliche Statur. Als Tochter des Schultheiß von Annwn hatte sie jedoch von jeher über genügend Selbstbewusstsein verfügt, um größer zu erscheinen, als sie in Wirklichkeit war.
    »Eine Überraschung«, erwiderte Beorn schließlich und grinste bis über beide Ohren.
    »Das sehe ich. Du ziehst aus, um Holz zu holen, und kommst mit Grassoden zurück. Was soll das? Und warum hast du ein Feuer darunter angezündet?«
    »Mit dem Leuchten habe ich nichts zu tun, mein Herz. Und das Gras dient allein der Tarnung.«
    Idana trat näher heran und wirkte mit einem Mal gar nicht mehr so selbstsicher. Halb versteckte sie sich hinter ihrem Mann, während sie an dessen Schulter vorbei die Ladung des Schleppgestells betrachtete. »Aber woher kommt das Licht, wenn da kein Feuer brennt?«
    »Warte nur! Gleich wirst du es sehen.«
    Schnell legte Beorn die im Wald ausgestochenen Soden zur Seite. Mit biegsamen Zweigen hatte er eine Art Dach gebaut, um seine kostbare Fracht vor neugierigen Blicken zu verbergen. Als Idana das Kind erblickte, riss sie Augen und Mund auf.
    »Jetzt staunst du, nicht wahr?«, freute sich Beorn.
    »Das ist ein…« Sie schüttelte ungläubig den Kopf.
    »Man nennt so etwas ›Kind‹. Genauer gesagt ›Knabe‹. Ich habe mich schon vergewissert: Alles ist vorhanden.«
    »Aber…« Idana wusste nicht, ob sie ihren Mann oder das lebende Bündel mehr bestaunen sollte. »Woher hast du ihn? Und warum glüht er wie ein Stern am Nachthimmel?«
    Der Säugling gab einen unwilligen Laut von sich.
    »Bestimmt hat er Hunger«, sagte Beorn. »Nimm ihn ruhig auf den Arm und wiege ihn ein wenig. Er ist jetzt unser Sohn. Ich finde, er sollte Trevir heißen. Er wird die Kraft von dreien brauchen, um in unserer Welt bestehen zu können und – wer weiß – vielleicht besitzt er sie ja sogar: Die Feen haben ihn uns nämlich geschenkt.«
    Schon hatte Idana den Jungen von dem Gestell aufgehoben, verharrte nun jedoch mitten in der Bewegung. »Was?«
    In knappen Worten erklärte der Böttcher die Umstände
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