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Die unglaubliche Entdeckung des Mr. Penumbra (German Edition)

Die unglaubliche Entdeckung des Mr. Penumbra (German Edition)

Titel: Die unglaubliche Entdeckung des Mr. Penumbra (German Edition)
Autoren: Robin Sloan
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schwerer Fehler unterlaufen. Dein Mitbewohner Claude Novak ist ein schnell redender Chicagoer, du bist ein introvertierter Kleinstädter. Er ist klein und überschwänglich, du bist groß und zurückhaltend. Er steht unter Strom, du lungerst herum. Claude scheint an diesem College inmitten von Maisfeldern fehl am Platze zu sein, du fällst gar nicht auf zwischen den bleichen Stängeln.
    Als du jedoch an jenem ersten Tag auspackst, offenbart sich die Logik des Computers: Ihr habt beide den Koffer hauptsächlich mit Büchern vollgestopft, Nebensächliches wie Hosen und Schuhe muss sich mit den Spalten dazwischen bescheiden. An jenem ersten Tag steht ihr Schulter an Schulter, die Köpfe zur Seite geneigt, vor dem wackeligen Bücherregal und überfliegt eure vereinigte Sammlung. Dein Beitrag tendiert stark zu Shakespeare, Dante, Homer – der Einfluss deines Vaters. Im Gegensatz dazu hat Claude ausschließlich Science-Fiction mitgebracht. Auf den glänzenden Umschlägen sind Raumschiffe, Funken sprühende humanoide Roboter und grünhäutige Marshäschen zu sehen.
    Ihr bleibt die ganze Nacht auf und lest.
    Claude kam wegen des Computers. Das Galvanic College besitzt einen der leistungsfähigsten Rechner des Mittelwestens, das nagelneue und etwas exzentrische Geschenk eines reichen Ex-Studenten. Da Lehrkörper und Studenten zusammen weniger als dreitausend Personen sind, rechnete Claude nach – Prozessorzyklen geteilt durch Campuspopulation – und wusste, dass er am Galvanic College und nicht an der University of Illinois die meiste Zeit am Computer ergattern würde.
    Er verbringt die meisten Tage und viele Nächte unten im zweiten Untergeschoss der McDonald Hall, wo die große wuchtige Maschine gerüchteweise residiert. Claude lädt dich ein, ihn zu besuchen. Du gehst die zwei Treppen hinunter und schleichst durch den kühlen, dunklen Gang. Die Tür vor dir steht einen Spalt weit offen, durch den ein eisiger Luftzug dringt. Auf dem Schild neben der Tür steht B3, aber ein Zettel, der darunter klebt, verkündet in Claudes verschnörkelter Handschrift: DIE FOUNDATION .
    Innen stehst du zum ersten Mal einem Computer gegenüber. Er ist nicht die elefantöse Apparatur, mit der du gerechnet hast, sondern eine Ansammlung von hohen Kästen, die alle aussehen wie supermoderne Küchengeräte, die mit glatten, silbrig grau und feuerrot blinkenden Schalttafeln bepflastert sind. Hinter Glasscheiben drehen sich langsam Bandspulen so groß wie Essteller. Auf allem prangt das gleiche klotzige Logo: IBM .
    Irgendetwas – möglicherweise einer der Apparate – kühlt den Raum sehr, sehr aus. Claude sitzt an einem winzigen Tisch in der Mitte der Geräte. Er ist warm eingepackt, trägt eine Sturmhaube und eine Winterjacke.
    »Hey, Partner!«, ruft er und schiebt die Sturmhaube hoch. Ein ungewöhnlicher Anblick, aber eigentlich auch nicht ungewöhnlicher als die simple Tatsache, dass hier dein Zimmergenosse einen Computer benutzt.
    Ein Mensch, der einen Computer benutzt, das gibt es eigentlich gar nicht.
    Claude dreht einen Plastikstuhl herum und zieht ihn ne ben sich. »Du kommst genau richtig.« Er sortiert einen hohen Stapel wächserner, gelber Lochkarten, auf deren Rand in fet ten Buchstaben steht: NICHT KNICKEN , ROLLEN ODER ZERKRATZEN . Du setzt dich und reibst dir vor Kälte die Arme.
    Claude schiebt die Karten in eine kleine Ablage und drückt dann in kurzen, bestimmten Abständen auf klobige Tasten. Die Karten beginnen zu verschwinden. Der Com puter verschlingt sie, eine nach der anderen, klackernd, schnurrend.
    Du fragst: »Was genau … macht die Maschine?«
    »Hauptsächlich Navier-Stokes-Gleichungen. Oh, entschul dige, du meinst … okay. Der Computer liest die Karten, befolgt die Anweisungen, und ich bekomme dann die Antworten … hier.« Er zeigt auf einen Drucker, in den eine dicke Papierwalze eingespannt ist. Der Drucker hat schon mehrere Meter mit Antworten ausgespuckt, die in einem Haufen auf dem Zementboden liegen.
    »Und diese Antworten, was sagen die dir?«
    »Ich beschäftige mich mit dem Wetter. In der Informatik ist das im Moment das Thema überhaupt … Klimamodelle, Niederschlagsverbreitung et cetera. Also, ich gebe die heute gemessenen Temperaturen, Windgeschwindigkeiten et cetera ein … Ich muss natürlich erst die Gitterpunkte normalisieren … und dann gebe ich mein Vorhersagemodell ein – da kommen die Navier-Stokes-Gleichungen ins Spiel.« Er spricht sehr schnell und sehr aufgeregt. »Und dann
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