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Die unglaubliche Entdeckung des Mr. Penumbra (German Edition)

Die unglaubliche Entdeckung des Mr. Penumbra (German Edition)

Titel: Die unglaubliche Entdeckung des Mr. Penumbra (German Edition)
Autoren: Robin Sloan
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finde ich raus, wo es morgen regnet.« Er klopft mit dem Finger auf den Tisch: pock, pock pock pock. »Zum Beispiel in Moskau.«
    Danach gehst du sehr oft in den Raum B3, immer in deiner Winterjacke. Der Computer macht dich nervös. Wenn Claude dich auffordert, selbst auf die klobigen Tasten zu drücken, dann zögerst du. Aber du schaust genau zu, und du hörst zu, wenn er über all die Probleme spricht – schnell, aufgeregt –, die ein noch leistungsfähigerer Computer wird lösen können.
    »Wirtschaftsprognosen«, sagt er. »Verkehrssimulationen. Schach!«
    Du fängst mit Hauptfach Englisch am Galvanic College an, aber stellst im Laufe deines ersten Semesters fest, dass das College ein ganz spezielles Programm für Studenten mit ganz … speziellen Interessen anbietet. Die Kurse sind nicht im Vorlesungsverzeichnis aufgeführt, zumindest nicht explizit. Stattdessen verstecken sie sich in den Angeboten des Fachbereichs Englisch – hinter Primzahlen und scheinbar lächerlichen Namen: zum Beispiel Englisch 103, Satzdiagramme , wofür sich kein zurechnungsfähiger Student jemals ohne einen sehr guten Grund anmelden würde.
    Der Kurs trifft sich in der großen, grauen, mit grotesken Figuren ausgeschmückten Bibliothek, die sich im obersten Stockwerk des Colleges befindet, von wo man durch Schießschartenfenster, die nur widerwillig etwas Licht hereinlassen, auf die Maisfelder hinausschauen kann. Dein Lehrer ist ein korpulenter Mann namens Langston Armitage, dessen Stimme sich anhört, als hätte er einen Frosch im Hals. Er ist, so sagt er, der Leiter des Fachbereichs Okkulte Literatur. Die anderen Studenten nicken eifrig, aber du bist verwirrt. Du hast dich eingeschrieben, weil du ein aufrichtiges Vergnügen daran hast, Sätze zu zerlegen.
    Am ersten Tag deines zweiten Semesters gehst du ins Studentensekretariat und wechselst dein Hauptfach.
    In jenem Frühjahr, in der ersten Stunde von Englisch 211, Die Geschichte des Index  – eigentlich Okkult-Lit. 211, Gefährliche Bücher  –, erzählt Armitage, dass die Bibliothek des Galvanic College mehr einzigartige, unübersetzbare und/oder unerklärbare Bücher hat als jede andere Sammlung der Welt. In der zweiten Stunde schickt er dich nach unten ins Magazin. Dort gibt es Bücher, die aus Silber und Knochen gemacht sind. Bücher mit blutgetränkten Seiten, im übertragenen wie wörtlichen Sinne. Bücher, die läuten wie Glocken, wenn du sie aus dem Regal nimmst, Bücher, die im Dunkeln leuchten.
    ***
    Claude Novak macht seinen Abschluss in nur drei Jahren. An einem kühlen Sommermorgen gehst du mit ihm zu dem kleinen Bahnhof des Galvanic College. Zusammen, einer vorn, einer hinten, tragt ihr den schweren Schrankkoffer voller Science-Fiction. Er fährt nach Kalifornien, wo er sich in Stanfords Masterstudiengang für Informatik eingeschrieben hat – dem ersten des Landes. Bevor der Zug einfährt, nimmt er ein Buch aus seinem Koffer und schenkt es dir. Der Umschlag zeigt eine blasse, wabernde Galaxie. Es ist Isaac Asimovs Foundation - Trilogie . Claude hat oft davon gesprochen.
    »Du glaubst also, dass Wissenschaftler die Zukunft voraussagen?«
    »Psychohistoriker«, sagt er leichthin. »Und das ist keine Science-Fiction, Partner. Nicht mehr. Das wird wahr.«
    Als der Zug einfährt, schüttelst du Claude die Hand, und dann wirst du feierlich. »Ich bin dem computerisierten Prozess dankbar, dass er uns zusammengebracht hat«, sagst du zu deinem ehemaligen Zimmergenossen. »Ich hoffe, du wirst deine eigenen Algorithmen schreiben mit ebenso glücklichen Ergebnissen.«
    Claude lacht. »Ich auch, Partner. Ich auch. Viel Glück in der Bibliothek.«
    Bücher aus Silber, Bücher aus Knochen. Und doch ist das Seltsamste, was du in all deinen Jahren am Galvanic College gesehen hast, ein Bursche mit einer Sturmhaube, der in einem Keller sitzt und einen Computer benutzt.
    ***
    Ein Jahr später, während du dich selbst auf deinen Abschluss vorbereitest, bittet Langston Armitage dich in seinen Adlerhorst im obersten Stockwerk der Bibliothek. Das einzige schmale Fenster ist mit einem Streifen Paisleytapete verhüllt, aber das Sonnenlicht dringt trotzdem herein und verleiht allem in seinem Büro einen grünlichen Schimmer. Einschließlich Armitage.
    »Ich möchte Sie bitten, Mitglied meines Bibliotheksstabs zu werden«, krächzt er.
    Du hast drei Sommer lang in der Bibliothek gearbeitet, hast Bücher aus den Regalen geholt und wieder zurückgestellt, hast das
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