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Die unglaubliche Entdeckung des Mr. Penumbra (German Edition)

Die unglaubliche Entdeckung des Mr. Penumbra (German Edition)

Titel: Die unglaubliche Entdeckung des Mr. Penumbra (German Edition)
Autoren: Robin Sloan
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Schreibtisch und brummelt etwas, was an niemand Spe ziellen gerichtet ist. »Keine Ahnung, warum er so einen Schund führt …«
    »Ein besonderes Buch«, wiederholt der Besucher mit behutsam aufmunternder Stimme.
    Der Verkäufer schaut ihn wieder an. Sein Mund verzieht sich zu einem verkniffenen Strich, der nicht mal entfernt an ein Lächeln erinnert. »Natürlich. Wie heißt es?«
    Der Besucher spricht langsam, artikuliert deutlich: »Techne Tycheon. T-E-C-H  … «
    »Ja, ja, Techne , ich weiß. Und Tycheon  … das ist ›die Kunst der Wahrsagerei‹, korrekt?«
    »Ja, ganz genau!«, sagt der Besucher laut.
    »Mar-cus!« Wieder die Frau. Diesmal reagiert der Verkäufer überhaupt nicht.
    »Entgegen allem äußeren Anschein«, sagt er ausdruckslos, »ist dies ein Ort der akademischen Recherche.« Er holt ein längliches Buch hervor, das breiter als hoch ist. »An den Titel kann ich mich nicht erinnern, ich prüfe das mal eben nach.« Er blättert durch die karierten Seiten eines Kassenbuchs – eine Art Katalog. »Unter T nichts … Wie heißt der Autor?«
    Der Besucher schüttelt den Kopf. »Das Buch ist sehr alt. Ich kenne nur den Titel. Aber ich weiß, dass es sich hier in San Francisco befunden hat, in einer Buchhandlung, die geführt wurde von einem gewissen … Nun ja, das ist eine ziemlich komplizierte Geschichte.«
    Der Verkäufer kneift die Augen zusammen, nicht aus Argwohn, sondern aus Interesse. Er schiebt den Katalog beiseite. »Na dann, erzähl mal.«
    »Also …« Der Besucher dreht sich um, darauf gefasst, dass sich hinter ihm eine Kundenschlange gebildet hat, aber da ist niemand. Er dreht sich wieder zu dem Verkäufer um. »Das wird allerdings ein bisschen dauern.«
    »Diese Buchhandlung ist rund um die Uhr geöffnet«, sagt der Verkäufer. Er lächelt fast kläglich. »Wir haben jede Menge Zeit.«
    »Ich fange am besten von vorn an.«
    »Am besten mit dem Wesentlichen.« Der Verkäufer setzt sich auf seinen Hocker und verschränkt die Arme. »Wie heißt du, mein Freund?«
    »Oh. Ja, natürlich. Ich heiße Ajax Penumbra.«

AJAX PENUMBRA!
    W ie kommt man zu einem Namen wie Ajax Penumbra? Folgendermaßen: Du wirst gezeugt von Pablo und Maria Penumbra, die wenige Monate vor Ausbruch eines großen Bürgerkriegs aus Spanien fliehen. Dein Vater trägt einen Koffer voller Bücher bei sich, deine Mutter trägt dich.
    Du wirst in England geboren. Von Maria, einer Lehrerin, hast du dein bellendes Lachen, dein schiefes Grinsen. Von Pablo, einem ständig sich abmühenden Dichter, hast du deine Körpergröße und den Namen des griechischen Helden. Was deinen Charakter angeht, stellt sich heraus, dass du vielleicht eher Ajax’ Rivalen Odysseus ähnelst. Dein Vater zog diesen Namen natürlich auch in Erwägung, aber Maria machte von ihrem Vetorecht Gebrauch. Ein Junge namens Odysseus Penumbra, sagte sie, würde die siebte Klasse nicht überleben.
    Während deiner Kinderjahre bist du ständig unterwegs: von England nach Kanada nach Amerika. Genauer, nach Gales burg, Illinois, wo Maria eine Stelle als Highschool-Lehrerin annimmt und im Laufe der Zeit bis zur Schulleiterin aufsteigt. Pablo gründet eine literarische Zeitschrift mit dem Titel Migraciones . Sie erreicht im Lauf deiner gesamten Kindheit eine Abonnentenzahl von insgesamt dreiundsiebzig.
    Deine Eltern sind Verrückte im besten Sinne. Sie feiern keine Geburtstage. Nie in deinem ganzen Leben hast du am zehnten Dezember ein Geschenk bekommen. Stattdessen schenkt man dir Bücher an dem Tag, an dem deren Autoren geboren wurden. Zum Beispiel liegt am 27. Januar ein bunt verpacktes Paket am Fuß der Treppe mit einem Zettel, auf dem steht: »Für meinen geliebten Jungen, anlässlich des 113. Geburtstags von Lewis Carroll.« Alice hinter den Spiegeln.
    AJAX PENUMBRA . Am winzigen Galvanic College, bekannt als das Harvard des nordwestlichen Illinois, ist auf dem Studentenausweis dein Name in nicht proportionalen Großbuchstaben und daneben dein Passfoto zu sehen, das eine Kreatur zeigt, die ausschließlich aus Hals, Ohren und Zähnen besteht. Dein albernes Grinsen. Wenn du es anschaust, wünschst du dir, du hättest dich zusammengerissen. Hättest versucht, seriöser dreinzuschauen.
    Vor dir und allen anderen Erstsemestern steht der Präsident des Galvanic College und verkündet stolz, dass die Auswahl deines Zimmergenossen im Wohnheim zum ersten Mal das Ergebnis eines computerisierten Prozesses ist. Zunächst hat es den Anschein, als sei dem Computer ein
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