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Die Unersättlichen: Ein Goldman-Sachs-Banker rechnet ab (German Edition)

Die Unersättlichen: Ein Goldman-Sachs-Banker rechnet ab (German Edition)

Titel: Die Unersättlichen: Ein Goldman-Sachs-Banker rechnet ab (German Edition)
Autoren: Greg Smith
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Großbanken den London Interbank Offered Rate, den LIBOR, manipulieren – den Referenzzinssatz für Studiendarlehen und Hypotheken in Billionenhöhe? Wessen Ersparnisse schmelzen dahin, wenn die Makler von JPMorgan ihren Kunden unterdurchschnittliche Investmentfonds andrehen, um ihre Gebühreneinnahmen in die Höhe zu treiben?
    Diese Liste ließe sich endlos fortsetzen. Und letztlich ist stets der normale Bürger betroffen – die Lehrer, Pensionäre und Rentner, deren Schicksale von den Organisationen abhängen, die ihr Geld verwalten. Der Normalbürger wird vom Fehlverhalten an der Wall Street viel stärker in Mitleidenschaft gezogen als jeder andere, denn es ist sein Geld, um das es geht.
    Doch wie schafft es die Wall Street überhaupt, so viel Geld zu verdienen? Muss sie nicht notgedrungen auch mal verlieren? Nicht unbedingt. In manchen Quartalen verdient eine Wall-Street-Bank an jedem einzelnen Tag Geld. Ganz recht: neunzig Tage am Stück. Sie erzielt also die ganze Zeit über Gewinne. Unlängst ist der Bank of America so ein Rundumschlag gelungen – ein veritabler Meisterstreich. Wie das geht?
    Die Zauberformel lautet: asymmetrische Information . Die Bedingungen sind nämlich nicht für alle Akteure gleich. Eine Bank weiß genau, was jeder Kunde auf dem Markt tut – sie hat also einen Informationsvorsprung. Wenn Ihnen im Kasino die Bank immer in die Karten schauen oder gar festlegen dürfte, welche Karten Sie bekommen – wie könnte die Bank da je verlieren?
    Das Ganze spielt sich folgendermaßen ab: Weil die Wall Street den raffiniertesten Hedgefonds, Investmentfonds, Pensionskassen, staatlichen Investitionsfonds und Unternehmen der Welt Geschäfte vermittelt, weiß sie, wer dabei auf welcher Seite steht. Im Grunde kann sie also allen in die Karten schauen. Und deshalb kann sie ihr eigenes Geld intelligenter investieren.
    Noch dramatischer wird es, wenn die Wall Street Sie dazu verleitet, mit maßgeschneiderten strukturierten Derivaten zu handeln, die exakt den Bedürfnissen der Firma entsprechen. Damit teilt Ihnen die Bank quasi ein vorgegebenes Blatt aus. Das Verlustpotenzial für das Kasino ist unter solchen Umständen entsprechend gering.
    Der Unterschied zum Glücksspiel im landläufigen Sinn: In einem echten Kasino zocken Sie in einer Spielbank, die lückenlos von Kameras überwacht wird. Auch wenn Sie Vorbehalte gegen Spielhöllen wie Las Vegas haben, so sind diese immerhin reguliert.
    An der Wall Street lässt sich das Glücksspiel in dunkle Hinterzimmer verbannen, wo nichts aufgezeichnet, beobachtet oder verfolgt wird. Bei undurchsichtigen, im Freiverkehr gehandelten Derivaten gibt es keine Überwachungskameras. Im Halbdunkel dieser Räume ist die Versuchung besonders groß, Kunden zu übervorteilen und Interessenkonflikte im eigenen Sinne zu lösen. Diese Versuchung und die mangelnde Transparenz waren es, die 2008 zur globalen Finanzkrise führten.
    Nicht zu vergessen die Händler. Der Kundenbetreuer in der Bank mag objektiv und besonders zuvorkommend wirken – wie ein zuvorkommender Croupier im Kasino, der Ihnen charmant nach dem Mund redet –, aber anders als ein Croupier dirigiert er Sie immer genau in die Richtung, die der Bank das meiste Geld einbringt. Anders als ein echter Croupier: Wenn Sie Blackjack spielen und 19 haben, würden Sie dann vom Bankhalter erwarten, dass er Ihnen rät, eine weitere Karte zu verlangen? An der Wall Street kann Ihnen das passieren.
    Kurioserweise sind echte Kasinos tatsächlich strenger reguliert als die Banken der Wall Street. Die SEC und die U.S. Commodity Futures Trading Commission (CFTC) waren nicht in der Lage, die Krise im Vorfeld zu verhindern, und haben Mühe, geeignete Maßnahmen zu ergreifen, um die beschriebenen Konflikte zu lösen. Kann die Wall Street angesichts so vieler Vorteile überhaupt verlieren? Dabei machen noch nicht einmal Spielbanken an jedem einzelnen Tag eines Quartals Gewinn.
    Dass es den Informationsvorsprung gibt, belegt auch Folgendes: Warum entwickeln sich die Investmentfonds von Goldman Sachs und JPMorgan Chase, die in den jeweiligen Anlageverwaltungsbereichen auf der anderen Seite der «Chinesischen Mauer» angesiedelt sind, in ihrer Morningstar-Vergleichsgruppe unter durchschnittlich? Warum machen sich Spitzentrader von Banken wie Goldman Sachs, Morgan Stanley und JPMorgan Chase mit eigenen Hedgefonds selbständig und scheitern ? Weil sie jetzt nicht länger den Vorzug genießen, allen anderen in die Karten zu schauen. In
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