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Die Ueberlebende

Die Ueberlebende

Titel: Die Ueberlebende
Autoren: Kishwar Desai
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beigeben durften. Unsere Theorien waren alles, was wir hatten … und natürlich das, was wir auf der Farm gesehen hatten.
    Aber vor allem kam es jetzt darauf an, nicht zu hitzig zu reagieren, damit es uns gelang, Durga irgendwie freizubekommen.
    Â»Du tauchst immer dann auf, wenn man dich am allerwenigsten erwartet«, sagte Ramnath, »Amrinder hat mich schon vorgewarnt.« Er lachte und zog die Bügelfalte seiner Hose gerade, dann lehnte er sich bequem zurück und schlug die Beine übereinander. Seine auf Hochglanz gewichsten schwarzen Schuhe funkelten wie kleine Autoscheinwerfer.
    Was war es, was mir an diesem Mann so missfiel – abgesehen von seiner Gattin und seiner Schwiegermutter? Mir fielen mindestens hundert Dinge ein, aber jetzt war nicht der Moment, sie alle aufzulisten.
    Harpreet lachte nicht, sondern musterte mich mit sorgenvollem Blick. Doch auch darüber konnte ich später noch nachdenken.
    Gurmit reichte Prakash seine Visitenkarte und bedachte Ramnath mit einem herablassenden Seitenblick.
    Â»Ich hatte es bei unserem Interview übrigens so verstanden, dass Durga nicht hierherverlegt werden sollte.«
    Â»Sie leidet vermutlich unter Schizophrenie – genau wie ihre Schwester.«
    Â»Und das haben Sie vor drei Tagen zufällig festgestellt?«
    Â»Dürfte ich bitte einmal den Arztbericht sehen, aufgrund dessen man sie hergebracht hat«, schaltete ich mich ein. »Ich habe sie erst vor drei Tagen besucht, und da ging es ihr noch gut. Alles war absolut normal. Sie war ein bisschen deprimiert und sehr still, aber so ist sie ja die ganze Zeit über gewesen, seit ich sie zum ersten Mal gesehen habe«, fügte ich noch rasch hinzu.
    Mein Handy klingelte. Meine Mutter. »Ich habe gerade noch eine Antwort auf die Anzeige bekommen, du wirst begeistert sein«, trillerte sie freudig erregt.
    Â»Schön, Mutter. Ich rufe dich später zurück.« Ich konnte mich beim besten Willen nicht zusammennehmen. Meine Mutter hatte sich den perfekten Ort ausgesucht, um mit mir über eheliche Bündnisse zu diskutieren: eine psychiatrische Klinik.
    Ich schaltete das Handy aus und starrte unverwandt Ramnath an, der mich angrinste. Auf eine sonderbare Weise hatte der Anruf meiner Mutter eine kalte Wut in mir aufsteigen lassen. Ich fühlte, wie mein Hass auf diesen Mann jeden letzten Zweifel in mir zersprengte.
    Â»Ich glaube nicht, dass ihr sie wegen irgendwelcher befürchteter manischer Anfälle verlegt habt. Ich denke, es hat vielmehr mit dem Foto von Sharda zu tun. Ich habe es ihr gegeben. Und du bekamst Schiss, dass jemand etwas von ihr wusste und Durga zu einem Geständnis nötigen könnte, womit ihr beide in die Sache verwickelt wärt.« Doch noch während ich das aussprach, merkte ich, wie zurechtgelegt sich alles anhörte. Es war letzten Endes alles nur eine Mutmaßung.
    Harpreet verzog keine Miene, aber er vermied es, Ramnath anzusehen. Der tat einen tiefen Seufzer. Er wirkte erschöpft, als hinge ihm das alles zum Halse heraus. Doch immerhin ließ er sich dazu herab, auf mich einzugehen, wobei er betont langsam sprach – wie zu einem dummen Kind.
    Â»Ich weiß nicht, von was für einem Foto du redest. Wir müssen Durga jetzt erst einmal gründlich untersuchen lassen. Bei allem Respekt, Simran – wir können uns nicht, verzeih mir, wenn ich das jetzt so sage, einzig und allein auf deinen ziemlich amateurhaften Versuch einer psychologischen Deutung verlassen. Sie hat ein schweres Verbrechen begangen und muss … «
    Â»Sie sollten sich gut überlegen, was Sie jetzt sagen«, schnitt Gurmit ihm jäh das Wort ab. »Sie machen sich hier der eklatanten Vorverurteilung eines jungen Mädchens schuldig, und dafür gibt es drei Zeugen …« Ich sah ihn erstaunt an. Ich hatte ihn bisher noch nicht mit solchem Nachdruck und mit so viel Aggressivität in seiner Stimme sprechen hören.
    Auch Ramnath wirkte ein wenig konsterniert – vielleicht hörte er aus Gurmits Ton bereits zukünftige, weniger schmeichelhafte Schlagzeilen heraus –, aber er ließ sich nur einen kurzen Moment lang den Wind aus den Segeln nehmen und fuhr ausnehmend höflich fort: »Ich glaube, ihr seid immer noch nicht mit den Tatsachen dieses Falles vertraut, also will ich sie euch darlegen – euch und auch Prakash, denn der ist neu im Team und wird sich doch sicher sehr darüber wundern, wie wir uns hier
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