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Die Ueberlebende

Die Ueberlebende

Titel: Die Ueberlebende
Autoren: Kishwar Desai
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Kind als Mittel zum Zweck ein, um es den Atwals heimzuzahlen – und vielleicht noch für etwas anderes. Er stachelte ihre Wut und ihren verletzten Stolz angesichts der Missachtung und der scheußlichen Behandlung, die die Töchter in ihrer Familie erfuhren, nur noch weiter an. Als guter Lehrer brachte er ihr bei ihren geheimen Verabredungen bei, was Aufbegehren bedeutete. Während jener Nachmittage, an denen er vielleicht auch Sex mit ihr hatte, erklärte er ihr, wer ihre wahren Feinde waren. Er half diesem jungen, tief gekränkten Wesen, das seine wichtigste Bezugsperson im Leben verloren hatte, einen Plan zu entwickeln, wie sie Binnys Kind retten und gleichzeitig die Grausamkeiten, die man Sharda zugefügt hatte, rächen konnte. Ich hatte ja gleich bei meiner ersten Begegnung mit ihm selbst erfahren, wie überzeugend und verführerisch er sein konnte – wie viel schwerer musste es da einem blutjungen Mädchen fallen, ihm zu widerstehen? Und währenddessen war er eifrig damit beschäftigt, sich den Nimbus eines untadeligen, liebevollen und selbstlosen Mannes zu verschaffen.
    Und schließlich hatte er, nachdem er Sharda verlor, tatsächlich eine Frau geheiratet, die von ihren angeheirateten Verwandten wegen unzureichender Mitgift fast verbrannt worden war, und auch noch ihre kleine Tochter adoptiert. So hat er uns alle hinters Licht geführt, und wir haben ihm alles abgenommen. Der äußere Eindruck verfehlte seine Wirkung nicht.
    Was er uns wohlweislich verschwiegen hatte, war, wie er Durga in ihrer ohnehin schon bedingungslosen, abgöttischen Liebe zu ihrer Schwester auf geschickte, behutsame Art und Weise noch bestärkte, bis sie an einem Punkt angekommen war, an dem es kein Zurück mehr gab – und das war vermutlich, als die Familie beschloss, Binnys Kind abzutreiben. War er der Mann, der half, das nächtliche Massaker zu planen? Es heißt, dass oft Drogen benutzt werden, um jemanden per Gehirnwäsche zu einem Mord zu treiben – doch hier handelte es sich um an Hörigkeit grenzende Liebe. Dieselbe Liebe, die die eine Schwester zerstört hatte, wurde nun eingesetzt, um auch die andere zum willigen Werkzeug zu machen.
    Das hilflose Kind, das sich nach Zuneigung sehnte, geriet in die Falle ihres väterlichen Liebhabers, wurde von ihm geformt und zurechtgebogen wie eine Plastikpuppe. In ihrer naiven Unschuld und in ihrer Überzeugung, dass er noch so viel mehr von ihr wollte, dass sie an seiner Seite ein neues Leben erwartete, wurde sie zu Wachs in seinen Händen.
    Wahrscheinlich hat er ihr beim Erwerb des Giftes geholfen und auch vorgeschlagen, dass Binny Rahul, seinen eigenen Sohn, mit sich außer Landes nehmen sollte. Es mochte sogar sein, dass er in jener Nacht selbst in dem Haus zugegen war, um bei der Umsetzung des mörderischen Plans die Fäden in der Hand zu behalten, dafür zu sorgen, dass Durga nicht der Mut verließ und sein Plan zur Ausführung kam. Vielleicht hat er seine Macht über sie auch dazu eingesetzt, sie zu überreden, anschließend in dem Haus zu bleiben, damit man eine offensichtliche Schuldige vorfand. Er wusste ja, dass sie ihm bis zum letzten Atemzug loyal ergeben war und ihn nie hintergehen würde. Und sie hatte ihr Versprechen gehalten.
    Gurmit hatte noch eine andere Theorie. Da Ramnath ja die ganze Zeit gewusst hatte, wo Sharda war, hatte man Durga versichert, dass in Zukunft für ihre Schwester gesorgt sein würde, wenn sie schön brav tat, was man von ihr verlangte. Das war der zweite Teil des Geschäfts. Nach dem Tod der Familie würde endlich alles wieder gut.
    Vielleicht hatte Durga, in der vergeblichen Hoffnung, dass dadurch die Wahrheit ans Licht käme und die Geheimnisse ihrer Familie aufgedeckt würden, bevor es zur Apokalypse kam, die Fotos von ihrer Schwester an die Presse geschickt. Doch nichts dergleichen war eingetreten. In einem letzten, verzweifelten Versuch hatte sie mich sogar noch gebeten, ihr von zu Hause Bücher mitzubringen, damit ich das Bild von Sharda fand und Nachforschungen anstellte. Ich aber hatte den Wink nicht verstanden.
    Harpreetsir hatte Durga gezeigt, wie Sharda festgehalten wurde – in Schmutz und Dreck. Dann wurde sie gewaschen, und die ehemalige Gefängnisschwester wurde hinzugezogen. Für das dankbare Kind, das seiner Schwester auf keine andere Weise helfen konnte, war dies Antrieb genug zu tun, was immer man von ihm verlangte. Die
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