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Die Ueberlebende

Die Ueberlebende

Titel: Die Ueberlebende
Autoren: Kishwar Desai
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vielen Jahre des Ausgeschlossen- und Unterdrücktseins hatten sie geradezu konditioniert, so zu reagieren.
    Es war ein riskanter Plan, aber Harpreet genoss es, ihn in die Tat umzusetzen. Er stachelte Durga so lange an, bis er sie so weit hatte, dass sie sich vollkommen seinen Wünschen unterwarf. Die Schilderung der Mordnacht in ihren Tagebuchaufzeichnungen demonstrierte die Macht, die er über sie hatte.
    Doch wie sollte es nun weitergehen? Wir hatten für nichts einen Beweis, und doch musste es uns gelingen, ein junges Mädchen aus einer Anstalt für Geistesgestörte herauszubekommen – als wäre das die einfachste Sache auf der Welt. Am Eingang holte ich tief Luft und wandte mich Gurmit zu.
    Â»Hör mal, bevor wir reingehen, und was auch geschehen mag, lass mich dir nur schnell sagen, dass ich dich wirklich mag und dir sehr dankbar bin. Ich war wütend auf dich und habe allerhand unschöne Dinge gesagt, aber ich weiß ja, dass du nur deine Arbeit gemacht hast, so wie ich jetzt die meine mache. Das klingt jetzt zwar wie eine blöde, aufgesetzte Erklärung, und es ist mir auch ein bisschen peinlich, aber falls wir sie irgendwie retten können …«
    Â»Ich mag dich auch«, unterbrach er mich. Er sah gar nicht mehr fünfzehn Jahre jünger aus als ich, sondern wirkte mit einem Mal sehr viel älter. Er blickte so ernst drein, dass ich mich fragte, was er wirklich dachte. Warum habe ich mich bloß mit dieser fünfundvierzigjährigen Sozialarbeiterin eingelassen? Oder: Ich könnte jeden Augenblick verhaftet werden, wenn ich noch mehr anstelle, was Ramnath gegen mich aufbringt .
    Â»Weißt du, ich habe viele sogenannte Freunde in Jullundur, Menschen, die ich praktisch schon seit dem Tag meiner Geburt kenne. Deswegen ist es mir ein völliges Rätsel, wieso ich mich ausgerechnet dir anvertraue, einem jungen Kerl, den ich vor kaum drei Tagen erst kennen gelernt habe.«
    Â»Wir kennen uns bereits seit einer Woche. Schon vergessen? Ich habe dir Blumen geschickt. Zwischen uns beiden muss es eine Art kosmischer Verbindung geben.«
    Â»Ist das ein Versprechen?«
    Er lächelte. Und es gefiel mir, wie sein Lächeln sich ganz bis zu seinen Augen hochzog. Wir marschierten gemeinsam in das Büro des Anstaltsleiters und baten um ein Gespräch mit Prakash Goel. Die Rezeptionistin erkannte mich zwar wieder, erklärte jedoch, uns leider nicht vorlassen zu können: »Sir befindet sich in einer Besprechung mit Mister Ramnath, dem Polizeisuperintendenten.«
    Sie ahnte ja nicht, dass das auf uns wie ein rotes Tuch auf einen wilden Stier wirkte.
    Gurmit hielt ihr seinen Presseausweis unter die Nase, und ich machte geltend, dass unser Gespräch keinen Aufschub dulde. Ehe sie uns aufhalten konnte, waren wir beide schon in den Raum gestürzt, wo wir drei äußerst verblüffte Herren antrafen, die bis zu diesem Augenblick friedlich Tee getrunken hatten. Prakash Goel schien am meisten über unseren Besuch erstaunt.
    Harpreet lächelte höflich, seine Augen strahlten die altbekannte Wärme aus. Mit jovialer Geste brachte Ramnath einen Salut aus. »Schau an, schau an.« In keinem der drei Gesichter konnte ich irgendwelche Bestürzung ausmachen, und ich kam mir plötzlich ziemlich dämlich vor. Aber ich rief mir das Bild von Sharda wieder klar vor Augen, damit mein Zorn nicht verpuffte.
    Â»Würde es Ihnen etwas ausmachen, draußen zu warten, bis ich mein Gespräch mit diesen Herren beendet habe, Simran?«, fragte Prakash.
    Â»Wir sind eigentlich gekommen, um uns mit euch dreien zu unterhalten«, erklärte ich und pflanzte mich auf einen Stuhl.
    Es ist schon komisch. Man kann sich eine Theorie zurechtlegen und total davon überzeugt sein, damit richtigzuliegen, doch wenn man dann den Personen, um die es dabei geht, Auge in Auge gegenübersteht, lässt man sie gleich wieder fallen wie Tauben ihre Scheiße auf deinen Kopf. Das waren doch ganz normale, anständige Männer. Gut, einer lief herum wie ein Dressman, und ein anderer sah viel zu gut aus für einen Hauslehrer, aber war das Grund genug, sie gleich an die Wand zu stellen? Ich hatte keinerlei konkrete Beweise, nur Vermutungen, Durgas Aufzeichnungen und die Ergebnisse von Gurmits bisherigen Nachforschungen. Gurmit dachte vermutlich genau dasselbe, denn er sah mich mit hochgezogenen Augenbrauen an. Doch wir wussten, dass wir an diesem Punkt nicht klein
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