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Die Ueberlebende

Die Ueberlebende

Titel: Die Ueberlebende
Autoren: Kishwar Desai
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schlagen ein ganz einfaches Geschäft vor. Bitte lass Durga mit uns gehen, und dann schauen wir, ob wir wegen des Hauses nicht zu einem Kompromiss kommen könnten.«
    Zum ersten Mal sah ich einen Anflug von Erleichterung in Ramnaths Augen. Letzten Endes würde ihm das Haus in Company Bagh, in dem er jeden einzelnen Kronleuchter in seinen Träumen bereits gezählt hatte, vielleicht doch nicht entgleiten. Vielleicht konnte er immer noch mit Harpreet seine Beute teilen. »Welche Garantie habe ich, dass du zu deinem Wort stehst?«
    Nachdem Ramnath damit mehr oder weniger zugegeben hatte, dass wir mit unserer Theorie nicht falschlagen, erhob Prakash sich abrupt, halb entsetzt und halb peinlich berührt. Ebenso wie ich war er immer noch dabei, sich an die Realität im wilden indischen Westen zu gewöhnen, und das war gewiss alles andere als leicht. Er hatte die beiden Herren zu sich eingeladen, um mit ihnen einen Fall von möglicher Schizophrenie zu diskutieren, und musste feststellen, dass er stattdessen in eine Debatte über Kindesmissbrauch, Mord und Immobilienstreitigkeiten hineingezogen wurde. Da Prakash einer alteingesessenen Ärztefamilie angehörte, die seit fünfzig Jahren im Ausland lebte und dort praktizierte, hatte er jeglichen Bezug zu den Verhältnissen des täglichen Lebens in Indien, wo nichts geht, ohne dass nicht eine Hand die andere wäscht, verloren.
    Â»Ich denke, ich werde auf jeden Fall Vorkehrungen treffen, damit Sie das Kind mitnehmen können, Simran. Wenn man Ihnen eine Polizeieskorte schicken will, soll man das tun, aber ich denke nicht, dass ich sie hierbehalten kann.«
    Â»Aber Sie haben doch ein Interview gegeben, in dem Sie sagten, der Fall wäre gelöst«, wollte Harpreet von Ramnath wissen.
    Plötzlich schwieg alles.
    Â»Sagen Sie einfach die Wahrheit. Sagen Sie, dass Sie falsche Informationen über Durgas Täterschaft bekommen hatten und dass Sie immer noch nach dem Täter suchen. Und dass die Ärzte ihr bescheinigt haben, dass sie nicht geisteskrank ist«, verlangte Gurmit resolut.
    Â»Aber sämtliche Indizien deuten doch auf sie«, begehrte Ramnath noch einmal auf.
    Â»Wir können auch Indizien vorweisen, die auf Sie beide deuten.«
    Es dauerte nicht lange, bis die Modalitäten besprochen waren. Gurmit sollte seine Kamera und Durgas Tagebuchaufzeichnungen abgeben, im Gegenzug kam Durga auf freien Fuß. Der schönste Augenblick war, als uns eine noch halb benommene Durga am Eingang der Klinik gegenüberstand. Am nächsten Tag wollten wir dann auch Sharda abholen, denn für ihre weitere Unterbringung mussten besondere Vorkehrungen getroffen werden. Dann sollten auch die restlichen Papiere übergeben werden.
    Als wir die Klinik verließen, merkte ich, dass Harpreet nach Worten suchte, um mir zu sagen, wie verkehrt ich ihn eingeschätzt hatte. Wie falsch mein Urteil über ihn war und wie sehr ihm die beiden Mädchen ehrlich am Herzen lagen. Gewiss – hier lag vieles unter der Oberfläche verborgen, und doch entbehrten seine Beteuerungen einer echten Substanz, sie bedienten nur sein Ego und sein ständiges Begehren. Begehren, wonach? Nach Anerkennung, nach Bewunderung? »Missverstehen Sie mich nicht«, wiederholte er immer und immer wieder. Es gelang mir nicht, meine Abneigung gegen ihn zu verbergen, und doch war ich gleichzeitig wie hypnotisiert von dem weidwunden Blick seiner betörenden Augen. Sollte ich mich etwa doch in ihm getäuscht haben?
    Obwohl Durga noch unter dem Einfluss von Drogen stand und ich sie behutsam zum Auto geleiten musste, zögerte sie, als sie an ihm vorbeikam, und streckte die Hand nach ihm aus. »Bitte, verlass mich nicht, geh nicht fort!«, ihre Stimme klang so flehend, dass es mir das Herz zerreißen wollte. Ich schob Durga schnell in den Wagen und knallte ich ihm die Autotür vor der Nase zu.
    Â»Versuchen Sie ja nicht, noch einmal Kontakt mit ihr aufzunehmen«, sagte ich streng. »Oder mit Sharda.«
    Â»Sie haben es immer noch nicht begriffen, oder?« Seine Stimme hatte nichts von ihrem Wohlklang eingebüßt, und er wirkte tatsächlich zutiefst geknickt. »Ich wollte den beiden doch nur helfen. Ich liebe Sharda.«
    Ich weiß nicht, warum diese Worte mich nicht losließen und ich während der ganzen Rückfahrt über sie nachdenken musste. Auf eine gewisse Weise hatte er recht. Die Mädchen hätten es alleine
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