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Die Ueberlebende

Die Ueberlebende

Titel: Die Ueberlebende
Autoren: Kishwar Desai
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Zigarette aus und versuche zu schlafen. Wenn ich noch länger hierbleiben soll, muss ich unbedingt daran denken, mir etwas Alkoholisches zu besorgen. Hätte mir was aus Delhi in meinem Koffer mitbringen sollen.
    â—† ◆ ◆
    An [email protected]
    Hallo, du kennst mich nicht, aber ich habe deine E-Mail-Adresse von Amarjit. Er war uns allen eine große Hilfe. Ich bin Durgas Schwägerin. Das ist natürlich ein ziemlicher Schlag für uns alle gewesen. Ich wünschte, ich könnte nach Hause kommen, aber ich erwarte jeden Tag mein Baby. I ch liebe Durga. Pass bitte gut auf sie auf. Sie hat eine Menge durchgemacht. Ich übrigens auch, aber ich bin wenigstens zu Hause bei meinen Eltern. Wenn du je nach Southall kommst, bist du uns herzlich willkommen. Bis dann.
    Brinda
    PS: Du kannst mich Binny nennen.
    An [email protected]
    Liebe Binny,
    es ist wunderbar, mit jemandem in Kontakt zu treten, der Durga gut kennt und dem etwas an ihr liegt. Du kannst dir ja vorstellen, wie niedergeschlagen sie ist, und ich gebe mir sehr große Mühe, sie dazu zu bringen, mit mir zu sprechen. Falls dir etwas einfällt, womit ich ihr Vertrauen gewinnen kann, so dass sie sich mir öffnet, lass es mich wissen. Und falls es etwas gibt, wovon du glaubst, dass ich es wissen sollte, musst du es mir auch unbedingt mitteilen. Bitte glaub mir, dass ich alles vertraulich behandeln werde.
    Hast du zufällig irgendwelche Familienfotos? Es wäre vielleicht schön für Durga, wenn du sie mir mailen könntest. Schreib uns, wenn das Baby da ist.
    Mit besten Grüßen und Dank, Simran

2. KAPITEL
    10. September 2007
    Es stimmt, dass mein Leben schwer zu begreifen ist, und es gibt kaum jemanden, der mich hört, wenn ich spreche. Wenn ich hier nicht bald rauskomme, werde ich überhaupt nie wieder sprechen können. Die Erinnerungen hören nicht auf, sich in meinem Kopf zu drehen. Was hätte ich tun sollen? Gibt es etwas, das die Dinge ändern kann?
    Ja, ich werde dich bitten, mir meine Bücher zu bringen, meine Bücher, die mich am Leben erhalten und mich so viele Jahre lang glücklich gemacht haben. Wenn ich sie lese, werden sie mich in eine andere Welt versetzen, weit fort von diesem dunklen, deprimierenden Haus in Company Bagh. Ich erinnere mich, wie schön die Fantasien waren, die aus meiner Lektüre entstanden sind, und wie ich sie mit der Zeit immer weiter ausgeschmückt habe. Dass jemand mich liebt, dass jemand mich an sich gedrückt hält. Bis sie dann eines Tages wahr geworden sind.
    Als Sharda in der Schule nachsitzen musste, weil sie eine Stunde geschwänzt hatte, bin ich auch dageblieben, damit wir zusammen nach Hause gehen konnten. Dadurch ist es nicht herausgekommen, denn sie konnte zu Hause sagen, ich hätte eine Stunde länger gehabt und sie hätte auf mich gewartet.
    Wir haben uns in die Schulbücherei geschlichen und alle Schubladen aufgemacht, auch die, die wir nicht anfassen durften. Als Sharda die verbotenen Bücher über Fortpflanzung und Sexualität herausnahm, fand sie eine Ausgabe von Lady Chatterley und eine mit ganz vielen Eselsohren von der Gita Govinda und hat sie mir gezeigt. Ich habe versucht, das alles zu verstehen. Es war eine Welt, von der ich gar nichts wusste – aber als wir anfingen, die Seiten umzublättern, konnten wir gar nicht mehr aufhören. Es war fast so, als wären wir in einer anderen, ganz geheimen Welt gelandet und würden uns nun auf eine Entdeckungsreise begeben. Es war ein warmer, ruhiger Nachmittag, und wir kicherten uns durch die Bücher, wir merkten, wie wir ganz rot im Gesicht wurden, und zwar alle beide, aber weil wir so gute Freundinnen waren, brauchten wir uns voreinander nicht zu schämen. Als wir einander anfassten, haben wir gelacht, das weiß ich noch, weil alles so lustig war, weil wir zusammen waren, und das war das Einzige, worauf es ankam.
    Ich habe ein paar Sachen verstanden, die Sharda mir erklärt hat, und anderes wieder begriff ich überhaupt nicht, aber als sie mir sagte, was da in den Büchern stand, habe ich mich, glaube ich, wieder in ihr schönes Gesicht verliebt und in ihre Augen und ihre Lippen. Sie war deswegen aber nicht mehr böse, sie hat gelächelt, und ihr Körper fühlte sich warm an unter meiner Berührung. Ob ich mal sehen möchte, wie ich eines Tages sein werde, hat sie mich gefragt.
    Sharda war so viel älter als ich, und ich war eine
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