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Die Treibjagd

Die Treibjagd

Titel: Die Treibjagd
Autoren: Emile Zola
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unterbrach sie der junge Mann. »Das würde lang dauern.«
    Sie nahm diese freche Bemerkung mit einem matten Lächeln hin, wie die Ungezogenheit eines verhätschelten Kindes, dem Alles erlaubt ist.
    »Du hast allen Grund, um Dich zu beklagen,« fuhr Maxime fort. »Für Deine Toilette gibst Du jährlich über hunderttausend Francs aus. Du bewohnst ein glänzendes Hotel, hast herrliche Pferde, Deine Launen sind Gesetze und über jede neue Toilette, die Du anlegst, berichten die Zeitungen wie über ein Ereigniß von höchster Wichtigkeit. Die Frauen beneiden Dich, die Männer gäben zehn Jahre ihres Lebens darum, wenn sie Dir die Fingerspitzen küssen dürften ... Hab' ich Recht?«
    Sie nickte zustimmend mit dem Kopfe, ohne eine Antwort zu geben und gesenkten Blickes fuhr sie fort, mit den Fingern durch die langen Haare des Bärenfells zu streichen.
    »Sei nicht so bescheiden,« nahm Maxime von Neuem auf; »gestehe rund heraus, daß Du eine der Säulen des zweiten Kaiserreiches bist. Wenn man unter sich ist, so kann man unbehindert über diese Dinge sprechen. Ueberall, in den Tuilerien, bei den Ministern, bei den einfachen Millionären, in der Tiefe und in der Höhe, – herrschest Du unbeschränkt. Es gibt kein Vergnügen, welches Du nicht genossen hättest und wenn ich den Muth hätte, wenn die Achtung, die ich Dir schuldig bin, mich nicht zurückhielte, so würde ich sagen ...«
    Lachend hielt er während einiger Sekunden inne, um dann rückhaltslos hinzuzufügen:
    »So würde ich sagen, daß Du von allen Früchten verkostet hast.«
    Sie zuckte mit keiner Wimper.
    »Und Du langweilst Dich!« Hub der junge Mann mit komischer Hast von neuem an. »Das ist ja himmelschreiend! Was willst Du denn? Wovon träumst Du?«
    Sie zuckte mit den Achseln, wie um anzudeuten, daß sie es selbst nicht wisse. Obschon sie den Kopf gesenkt hielt, sah Maxime, daß sie ernst und düster vor sich hinblicke, so daß er es für gerathen hielt zu schweigen. Er beobachtete die Wagenreihe, die am Teichende angelangt, sich auflöste und zu verbreitern begann, den weiten Raum ganz erfüllend. Die sich jetzt freier bewegenden Wagen wendeten in tadellosen Kurven und der raschere Hufschlag der Pferde erklang lauter auf der harten Erde.
    Die Equipage, die jetzt einen weiten Bogen beschrieb, wiegte, hob und senkte sich, was Maxime mit einem angenehmen Gefühl erfüllte. Etwas drängte ihn, Renée zu beschämen und so sagte er:
    »Sieh, Du würdest verdienen, im Fiaker zu fahren! Das wäre nur gerecht ... Betrachte doch diese Leute, die nach Paris zurückkehren, diese Leute, die zu Deinen Füßen liegen. Man grüßt Dich, als wärest Du eine Königin und es fehlt wenig, so würde Dir Dein guter Freund, Herr von Mussy, sogar Kußhände zuwerfen.«
    Tatsächlich grüßte ein Reiter die junge Frau. Maxime hatte in heuchlerisch spöttischem Tone gesprochen, Renée aber mit den Achseln zuckend, kaum den Kopf gewendet. Nun machte der junge Mann eine Geberde der Verzweiflung.
    »So steht es also?« fragte er. »Du lieber Gott, Du hast ja Alles; was willst Du denn noch?«
    Renée hob den Kopf empor. Ihre Augen hatten einen warmen Glanz, ein heißer Ausdruck unbefriedigter Neugierde lag in denselben, als sie halblaut erwiderte:
    »Ich will etwas Anderes.«
    »Da Du aber Alles hast,« entgegnete Maxime lachend, so bedeutet etwas Anderes gar nichts ... Was ist dieses Andere?«
    »Was? ...« wiederholte sie.
    Damit brach sie ab, Sie hatte sich ganz umgedreht und betrachtete das seltsame Bild, welches allmälig hinter ihr verschwand. Die Nacht war fast gänzlich hereingebrochen, langsam senkte sich die Dämmerung wie ein feiner Aschenregen herab. Bei dem noch auf dem Wasser schwebenden fahlen Tageslichte bot der von oben gesehene Teich den Anblick einer ungeheuren Zinnplatte; an seinen beiden Ufern nahmen die grünen Bäume, deren schlanke, dünne Stämme aus der schlummernden Erde emporzusteigen schienen, zu dieser Stunde das Aussehen violetter Säulen an, deren regelmäßige Architektur die wohlberechneten Krümmungen der Ufer schärfer hervortreten ließ; weiter im Hintergrund schlossen die dichten Baumgruppen gleich großen schwarzen Flecken den Horizont ab. Hinter diesen Flecken glühte die sinkende Sonne, deren Scheibe beinahe ganz versunken war und nur mehr eine Spitze des unendlichen Raumes erleuchtete. Ueber diesem regungslosen Teich, diesen niedrigen Hecken, diesem ganzen merkwürdigen Bilde wölbte sich das Himmelsgezelt in endloser Tiefe und Wette.
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