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Die Treibjagd

Die Treibjagd

Titel: Die Treibjagd
Autoren: Emile Zola
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gleichmäßige Geräusch der heimkehrenden Wagen klang gleich einer traurigen Klage durch die einsame Allee.
    Gewiß war sich Maxime bewußt, wie unziemlich es war, das Leben heiter zu finden. Wenn er auch noch jung genug war, um sich einer glücklichen Begeisterung zu überlassen, so war sein Egoismus doch entwickelt, seine Gleichgiltigkeit groß genug, sein Wesen von wirklichem Ueberdruß genügend erfüllt, um sich auch für übersättigt, für blasirt zu erklären. Gemeinhin legte er dieses Geständniß mit einiger Ruhmredigkeit ab.
    Er streckte sich gleich Renée aus und schlug einen schmerzlichen Ton an, als er sagte:
    »Ja, Du hast Recht; es ist abscheulich ... Auch ich amüsire mich nicht mehr als Du; auch ich habe häufig an etwas Anderes gedacht ... Nichts ist dümmer als das Reisen. Geld erwerben? Da ziehe ich noch vor, solches auszugeben, obschon dies auch nicht immer so kurzweilig ist, wie man anfänglich glaubt. Lieben, geliebt werden, – das hat man bald satt, nicht wahr? ... Ach ja, das hat man sehr bald satt!«
    Die junge Frau gab keine Antwort und er fügte hinzu, in der Absicht, durch eine Gottlosigkeit ihr Staunen zu erregen:
    »Ich möchte von einer Nonne geliebt werden. Das wäre vielleicht drollig genug ... Hast Du niemals davon geträumt, einen Mann zu lieben, an den Du nicht denken könntest, ohne ein Verbrechen zu begehen?«
    Sie aber verharrte in düsterem Schweigen und da sie ihm keine Antwort gab, so glaubte Maxime, sie höre ihm nicht zu. Sie lehnte den Nacken gegen den gepolsterten Rand der Rückenlehne und schien mit offenen Augen zu träumen. Willenlos sann sie nach, den Träumen preisgegeben, die sie in ihrem Banne hielten und von Zeit zu Zeit erzitterten ihre Lippen nervös. Der Schatten der Abenddämmerung hielt sie weich umflossen; Alles, was diese Schatten an unbestimmter Traurigkeit, an uneingestandener Hoffnung und geheimer Wollust enthielten, bemächtigte sich ihrer und umgab sie mit einer erschlaffenden, schweren Atmosphäre. Während sie starr auf den runden Rücken des auf dem Bocke sitzenden Kammerdieners blickte, dachte sie an die Genüsse des gestrigen Tages, an diese Festlichkeiten, die ihr so inhaltslos dünkten und von denen sie nichts mehr wissen wollte. Ihr vergangenes Leben zog an ihr vorüber, die sofortige Befriedigung ihrer Wünsche, die bis zum Ekel gesteigerte Pracht, die ertödtende Gleichmäßigkeit der gleichen Zärtlichkeiten und desselben Verraths. Sodann tauchte gleich einer Hoffnung, von dem leisen Schauer des Begehrens begleitet, der Gedanke an dieses »Andere« auf in ihr, – dieses Andere, welchem ihr Geist keine Form zu geben vermochte. Bei diesem Punkte verwirrten sich ihre Träume. Sie erschöpfte sich in Anstrengungen, – doch immer wieder entschwand ihr das gesuchte Wort in der sinkenden Nacht, verlor sich in dem unablässigen Wagenrollen. Das weiche Wiegen der Kalesche vermehrte noch das Zögern, welches sie hinderte, ihr Verlangen in Worte zu kleiden. Und eine unendliche Versuchung stieg aus diesem Chaos auf, aus diesem Rollen der Räder, dieser wiegenden Bewegung des Wagens, welche sie in eine köstliche Betäubung hüllte, aus diesen Hecken und Sträuchern, welche der Abend zu beiden Seiten in dunkle Schatten hüllte. Zahllose kleine Schauer glitten über ihren Leib: unterbrochene Träume, ungenannte Wollust, verworrene Wünsche, – Alles, womit die Rückkehr aus dem Bois bei sinkender Nacht an köstlichen und ungeheuerlichen Empfindungen das übersättigte Herz einer Frau zu erfüllen vermag. Sie hatte beide Hände in das weiche Bärenfell vergraben und es war ihr sehr heiß unter dem Paletot aus weißem Tuch mit den grauen Sammtaufschlägen. Sie streckte einen Fuß aus, um sich behaglicher zu dehnen und dabei streifte ihr Knöchel das warme Bein Maxime's, der die Berührung gar nicht beachtete. Ein unerwarteter Stoß des Wagens riß sie aus ihrem Halbschlummer. Sie hob den Kopf empor und blickte den in voller Eleganz da liegenden jungen Mann eigenthümlich aus ihren grauen Augen an.
    In diesem Augenblick verließ die Equipage das Bois. Die Avenue de l'Imperatrice dehnte sich schnurgerade in der Dämmerung hin; zu ihren beiden Seiten erstreckten sich die grün gestrichenen Holzbarrieren, die in weiter Ferne zu einem Punkte zusammenzufließen schienen. In der für Reiter bestimmten Seitenallee wurde ein weißes Pferd sichtbar, welches sich gleich einem lichten Fleck von den grauen Schatten abhob. Auf der anderen Seite, längs der
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