Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Treibjagd

Die Treibjagd

Titel: Die Treibjagd
Autoren: Emile Zola
Vom Netzwerk:
einen Salon gefunden, in welchem Damen bis drei Uhr Morgens am grünen Tische saßen und in einer Nacht hunderttausends Francs verloren. Sie versuchte zu trinken; dies brachte sie indessen nicht zu Stande, da sie einen unüberwindlichen Abscheu vor geistigen Getränken hatte. Seitdem sie allein und der Hochfluth der gesellschaftlichen Zerstreuungen preisgegeben war, überließ sie sich rückhaltslos den tollsten Einfällen, da sie nicht wußte, womit sie die Zeit tödten solle. Schließlich kostete sie von Allem und nichts vermochte sie zu fesseln, inmitten der entsetzlichen Langeweile, welche auf ihr lastete. Sie alterte vor der Zeit, blaue Ringe legten sich um ihre Augen und tiefe Falten um ihren Mund. Sie versinnbildlichte das Ende einer Frau.
    Als Maxime Luise geheirathet hatte und die jungen Leute nach Italien gegangen waren, kümmerte Renée sich nicht mehr um ihren Geliebten, ja sie schien ihn sogar gänzlich vergessen zu haben. Und als Maxime sechs Monate später allein, ohne »die Buckelige« zurückkehrte, die er in dem Friedhofe eines kleinen, lombardischen Städtchens zurückgelassen, legte sie ihm gegenüber deutlichen Haß an den Tag. Sie erinnerte sich an »Phädra« und gedachte zweifellos jener vergifteten Liebe, welche die Ristori zur Darstellung gebracht. Und um den jungen Mann nicht mehr in ihrem Hause zu sehen, um für alle Zeiten einen Abgrund der Schmach und der Schande zwischen Vater und Sohn zu schaffen, zwang sie ihren Gatten von der Blutschande zu erfahren, erzählte sie ihm, daß Maxime ihr seit langer Zeit nachgestellt und an dem Tage, da Saccard sie mit ihm überraschte, ihr Gewalt habe anthun wollen. Saccard war im höchsten Grade aufgebracht über die Hartnäckigkeit, mit welcher sie ihm die Augen öffnete. Er war gezwungen, mit seinem Sohne zu brechen, jeden Verkehr mit ihm einzustellen. Nun bezog der junge Wittwer, den die Mitgift seiner Frau zu einem reichen Mann gemacht, ein kleines Hôtel in der Avenue de l'Impèratrice. Er hatte auf sein Amt im Staatsrath verzichtet und hielt einen Rennstall. Dies bildete den letzten Triumph Renée's. Sie hatte sich gerächt und den beiden Männern die eigene Infamie ins Gesicht geschleudert; sie sagte sich, daß dieselben nicht mehr über sie spotten werden, während sie wie zwei Kameraden mit einander verkehren würden.
    Als Renée von allen Personen, denen ihre Zärtlichkeit gegolten, verlassen war, trat ein Zeitpunkt ein, in welchem sie nur mehr ihre Kammerdienerin liebte. Allmälig faßte sie eine mütterliche Zuneigung für Céleste. Vielleicht rief ihr die Gegenwart dieses Mädchens, das allein von der Liebe Maxime's in ihrer Nähe zurückgeblieben, die für immer entschwundenen Stunden des Glückes ins Gedächtniß zurück. Vielleicht auch war sie nur gerührt durch die Treue dieser Dienerin, dieses wackeren Herzens, dessen ruhige Anhänglichkeit nichts zu erschüttern vermochte. Von Gewissensbissen gequält, dankte sie ihr dafür, daß sie trotz aller Schmach bei ihr ausharrte und sich nicht von Abscheu erfüllt, von ihr wendete; sie bildete sich ein, es bedürfe eines ganzen entsagungsvollen Lebens, um die Ruhe der Kammerdienerin angesichts der Blutschande, ihre eisigen Hände, ihre stille, achtungsvolle Dienstfertigkeit richtig würdigen zu können. Und die Ergebenheit ihrer Magd machte sie umso glücklicher, als sie wußte, daß dieselbe rechtschaffen und sparsam sei, weder ein Laster noch einen Liebhaber besitze.
    Zuweilen, wenn die Traurigkeit sie übermannte, sagte sie:
    »Du wirst mir die Augen zudrücken, meine Tochter.«
    Céleste gab keine Antwort, sondern lächelte nur so eigenthümlich. Und eines Morgens theilte sie ihrer Herrin ruhig mit, daß sie den Dienst verlassen und in ihre Heimath zurückkehren werde. Renée war wie niedergeschmettert, als wäre ihr ein großes Unglück zugestoßen. Sie versprach und bestürmte die Dienerin mit Fragen. Weshalb ging sie von ihr, nachdem sie so gut mit einander auskamen? Sie wollte ihren Lohn verdoppeln.
    Die Zofe aber hatte auf alle guten, freundlichen Worte nur ein Kopfschütteln zur Antwort.
    »Und wenn Sie mir alle Schätze der Welt anböten, gnädige Frau,« erwiderte sie schließlich, »so bliebe ich keine Woche länger. Sie kennen mich eben nicht. Seit acht Jahren bin ich in Ihren Diensten, nicht wahr? Am ersten Tage sagte ich mir bereits, daß ich an dem Tage in meine Heimath zurückkehren werde, da ich mir fünftausend Francs erspart haben werde; ich würde ein Haus in Lagache
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher