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Die Treibjagd

Die Treibjagd

Titel: Die Treibjagd
Autoren: Emile Zola
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seiner harren.
    Die Herren glaubten sich auf's Land versetzt. Der Weg zog sich mitten durch Gärten hin, deren Umfriedungsmauern er mit sich genommen. Große Büsche knospenden Flieders waren zu sehen; das Laub der Bäume zeigte ein zartes Grün. Jeder dieser Gärten bildete ein lauschiges Ganzes für sich allein und in jedem derselben konnte man kleine, halbverborgene Häuser sehen, die bald an einen italienischen Pavillon, bald an einen griechischen Tempel erinnerten. Moos bedeckte die Gipssäulen, während Unkraut den Kalk von den Giebeln löste. »Dies sind kleine Häuschen ,« bemerkte der Arzt und zwinkerte mit den Augen.
    Und als er sah, daß ihn die Herren nicht verstanden, erklärte er ihnen, daß die Marquis und Herzoge unter Ludwig XV. für ihre Liebesabenteuer sich lauschige Schlupfwinkel erbaut hatten. Das war damals Mode. Dann fuhr er fort:
    »Man nannte das » kleine Häuschen « und in diesem Viertel gab es eine Menge derselben ... Es trugen sich daselbst mitunter ganz merkwürdige Dinge zu!«
    Die Herren von der Kommission waren sehr aufmerksam geworden. Die Augen der beiden Industriellen glänzten und lächelnd, mit lebhaftem Interesse betrachteten sie die Gärten, diese Pavillons, für die sie vor den Erklärungen ihres Kollegen keinen Blick gehabt. Eine Grotte, die sie in einem Garten entdeckten, hielt ihre Aufmerksamkeit besonders lange gefesselt. Als der Arzt aber beim Anblick eines Gebäudes, an dessen Abtragung bereits gearbeitet wurde, behauptete, er erkenne das kleine Häuschen des von seinen Orgien her wohlbekannten Grafen von Savigny, verließ die ganze Kommission den Boulevard, um die Ruine zu besichtigen. Sie erkletterten die Schutthaufen, drangen durch die Fenster in die Räume des Erdgeschosses und da die Arbeiter eben bei ihrem Frühstück waren, so konnten die Herren nach Belieben daselbst verweilen. Sie blieben da eine volle halbe Stunde, betrachteten die Rosetten des Plafonds, die Malereien an den Wänden, die Schnitzereien an den Thüren, während der Arzt das Ganze zu rekonstruiren suchte.
    »Sehen Sie,« sprach er; »dies mochte der Saal gewesen sein, in welchem die Gastmahle abgehalten wurden. Hier, in dieser Mauervertiefung stand zweifellos ein mächtiger Divan. Und über demselben befand sich meiner Ueberzeugung nach ein großer Spiegel; ... sehen Sie hier die Spuren der Klammern, welche das Glas festhielten ... Oh, die Spitzbuben verstanden es, sich des Lebens zu freuen!«
    Sie hätten diese alten Räume, die ihre Phantasie angenehm beschäftigten, nicht so schnell verlassen, wenn Aristide Saccard, von Ungeduld erfaßt, nicht lachend gesagt hätte:
    »Sie suchen vergebens, meine Herren ... Die Damen sind doch nicht mehr hier ... Gehen wir an unsere Arbeit.«
    Doch bevor man sich entfernte, stieg der Arzt auf einen Kamin und löste mittelst eines Stemmeisens glücklich einen kleinen, bemalten Amorkopf von der Wand, den er in seiner Tasche verwahrte.
    Endlich waren sie am Ziele ihrer Wanderung angelangt. Die ehemaligen Besitzungen der Frau Aubertot waren sehr ausgedehnt; das Caféconcert und der Garten nahmen kaum die Hälfte derselben ein und der Rest war mit einigen unbedeutenden Häuschen bebaut. Der neue Boulevard schnitt dieses Parallelogramm in der Diagonale durch, was Saccard's Befürchtungen ein wenig beruhigt hatte, da er lange gemeint, daß das Caféconcert allein genommen werden würde. Larsonneau war dementsprechend auch angewiesen worden, sehr selbstbewußt zu sprechen; die werthvolleren Randgebiete allein hätten die beanspruchte Ersatzsumme verfünffachen müssen und er drohte der Stadt bereits, von einer kürzlich erlassenen Ermächtigung Gebrauch zu machen, wonach es den Eigenthümern anheimgestellt wurde, für die öffentlichen Arbeiten gerade nur das unumgänglich nothwendige Terrain zu überlassen.
    Der Expropriationsagent empfing die Herren. Er führte sie durch den Garten, ließ sie das Caféconcert besichtigen und zeigte ihnen ein mächtiges Aktenbündel. Die beiden Industriellen aber waren in Begleitung des Arztes wieder hinausgegangen und bestürmten diesen noch immer mit Fragen in Bezug auf das kleine Häuschen des Grafen von Savigny, welches ihre Phantasie beschäftigte. Vor einem Tonnenspiel stehend, hörten sie ihm mit offenem Munde zu, während er ihnen von der Pompadour sprach und über die Liebschaften Ludwigs XV. berichtete. Und inzwischen fuhren Herr von Mareuil und Saccard allein in der Untersuchung fort.
    »Das wäre also auch besorgt,«
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