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Die Treibjagd

Die Treibjagd

Titel: Die Treibjagd
Autoren: Emile Zola
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sprach Saccard in den Garten zurückkehrend, »Wenn Sie gestatten, meine Herren, werde ich den Bericht verfassen.«
    Der Fabrikant von chirurgischen Instrumenten hörte nicht einmal zu; er befand sich im Geiste unter der Regierung Ludwigs XV.
    »Welch' drollige Zeiten waren das!« murmelte er.
    In der Rue de Charonne fanden sie einen Fiaker und sie bestiegen denselben, bis zu den Knieen von Koth bespritzt und wohlgemuth, als hätten sie eine Landpartie gemacht. Im Wagen nahm die Unterhaltung eine andere Wendung; man sprach über Politik und bemerkte, daß der Kaiser große Dinge vollbringe. Noch nie hatte man einen Anblick gehabt, wie er ihnen heute geboten worden. Diese große, schnurgerade Straße wird nach ihrem Ausbau ein großartiges Werk sein.
    Saccard brachte seinen Bericht zu Papier und die Jury bewilligte die drei Millionen. Der Spekulant war am Ende seiner Mittel angelangt; er hätte nicht einen Monat länger aushalten können. Dieses Geld bewahrte ihn vor dem Ruin und einigermaßen auch vor dem Kriminalgericht. Er zahlte fünfhunderttausend Francs seinem Möbelhändler und Baumeister, denen er für das Hôtel des Monceau-Parkes eine Million schuldig war, befriedigte anderweitige drängende Gläubiger und stürzte sich in neue Unternehmungen, indem er Paris mit dem Geräusche seiner Thaler erfüllte, die er in seiner eisernen Kasse aufgehäuft hatte. Der goldene Strom hatte endlich seine Quellen. Noch war das aber kein solides Vermögen, welches vor künftigen Stürmen gesichert war. Nachdem Saccard aus seiner Krise mit heiler Haut davongekommen, vermochte er sich mit den Ueberresten seiner drei Millionen gar nicht zu behelfen und er behauptete naiv, daß er noch zu arm sei, als daß er sich zur Ruhe setzen könnte. Und es währte nicht lange, so begann der Boden unter seinen Füßen neuerdings zu wanken.
    Larsonneau hatte sich in der Charonner Angelegenheit so tadellos benommen, daß Saccard nach einigem Zögern die Rechtschaffenheit so weit trieb, ihm zehn Prozent und ein Trinkgeld von 30 000 Francs zu bezahlen. Mit diesem Gelde eröffnete der Expropriationsagent ein Bankhaus. Und als ihn sein Genosse mürrischen Tones beschuldigte, er sei reicher als er – Saccard – selbst, erwiderte der Geck lachend:
    »Sehen Sie, theurer Meister, Sie verstehen es vortrefflich, einen Regen von Hundertsousstücken herbeizuführen, wissen aber nicht, wie man dieselben zusammenzuhalten hat.«
    Frau Sidonie machte sich die reiche Ernte ihres Bruders zu Nutze, um sich von ihm zehntausend Francs zu borgen, mit welchen sie sich auf zwei Monate nach London begab. Als sie zurückkehrte, besaß sie keinen Sou mehr und man konnte niemals erfahren, wo die zehntausend Francs hingerathen.
    »Solche Dinge kosten Geld,« gab sie zur Antwort, wenn man sie befragte. »Ich habe sämmtliche Bibliotheken durchstöbert und hatte drei Sekretäre bei meinen Nachforschungen.«
    Und wenn man sie fragte, ob sie bezüglich ihrer drei Milliarden endlich sichere Anhaltspunkte gefunden, lächelte sie vorerst geheimnißvoll, um dann hinzuzufügen:
    »Ihr seid lauter Ungläubige ... Ich habe nichts gefunden, doch das thut nichts ... Ihr werdet noch eines Tages Augen machen.«
    Dessenungeachtet hatte sie ihre Zeit in England nicht verloren. Ihr Bruder, der Minister, machte sich ihre Reise zu Nutze, um ihr einen schwierigen Auftrag anzuvertrauen. Als sie zurückkehrte, erhielt sie bedeutende Bestellungen vom Ministerium. Sie schloß Verträge mit der Regierung und übernahm alle möglichen Lieferungen. Sie lieferte ihr Lebensmittel und Waffen für das Heer, die Einrichtungen für die öffentlichen Aemter und Gerichtsstellen, Heizmaterial für die Museen und Lehranstalten. Das Geld, welches sie erwarb, vermochte sie nicht zu bestimmen, ihre ewigen schwarzen Kleider abzulegen und sie behielt ihr gelbes, trauriges Gesicht bei. Saccard sagte sich, daß sie es doch gewesen sei, die er einst flüchtig aus dem Hause seines Bruders Eugen kommen gesehen. Sie hatte wohl während der ganzen Zeit in geheimer Verbindung mit ihm gestanden, – doch wußte Niemand, zu welchem Behufe.
    Inmitten all' dieser Umtriebe, all' dieses unbefriedigten Haschens und Jagens nach Geld, führte Renée ein jammervolles Dasein. Tante Elisabeth war gestorben und ihre Schwester hatte nach ihrer Verheirathung das Hôtel Beraud verlassen, in welchem ihr Vater allein zurückblieb. In drei Monaten hatte sie das Erbtheil ihrer Tante vergeudet. Sie huldigte nunmehr dem Spiele. Sie hatte
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