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Die Treibjagd

Die Treibjagd

Titel: Die Treibjagd
Autoren: Emile Zola
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Getrabe der Pferdehufe heute wie Triumphfanfaren klang. Und sie erinnerte sich an jede ihrer Fahrten ins Bois. Sie hatte daselbst gelebt, Maxime war hier, neben ihr, auf den Kissen des Wagens aufgewachsen. Dies war ihr Garten gewesen. Hier überraschte sie der Regen, hierher lockte sie die Sonne zurück und nicht einmal die Nacht vermochte sie immer daraus zu verscheuchen. Hier lustwandelten sie bei jedem Wetter, hier genossen sie die Freuden und auch die Unannehmlichkeiten ihres Lebens. In der Leere ihres Wesens, in der Melancholie, in die sie die Abreise Céleste's versetzt, bereiteten diese Erinnerungen ihr eine herbe Freude. Ihr Herz sprach: Niemals wieder! niemals wieder! Und sie selbst erstarrte förmlich zu Eis, als sie das Bild dieser Winterlandschaft, dieses spiegelglatten, gefrorenen Teiches vor sich auftauchen sah, auf welchem sie mit ihm Schlittschuhe gelaufen; der Himmel war schwarz wie Ruß, der Schnee hing weißen Spitzen gleichend an den Zweigen und die scharfe Lüfte wehte ihnen feinen Sand in Mund und Augen.
    Zur Linken, auf dem für die Reiter reservirten Wege, hatte sie indessen den Herzog von Rozan, Herrn von Mussy und Herrn von Saffré erkannt. Larsonneau hatte die Mutter des Herzogs getödtet, als er ihr am Verfallstage die von ihrem Sohne unterfertigten Wechsel über hundertfünfzigtausend Francs vorlegte und nun vergeudete der Herzog seine zweite halbe Million mit Blanche Müller, nachdem er die ersten fünfhunderttausend Francs in den Händen der Aurigny zurückgelassen. Herr von Mussy, der die englische Gesandtschaft verlassen hatte, um bei der italienischen Dienste zu nehmen, war wieder der galante Kavalier von ehedem geworden, der einen Kotillon mit vollendeter Anmuth anzuführen verstand. Und was Herrn von Saffré betraf, so blieb er der skeptische und liebenswürdigste Lebemann von der Welt. Renée sah gerade, wie er sein Pferd nach dem Wagen der Gräfin Vanska lenkte, in die er, wie man behauptete, rasend verliebt war seit dem Tage, da er sie als Koralle bei den Saccards gesehen.
    Auch die Damen waren wieder vollzählig da: die Herzogin von Sternich in ihrem ewigen Landauer; Frau von Lauwerens mit der Baronin von Meinhold und der kleinen Frau Daste in einem Wagen, Frau Teissiére und Frau von Guende in einer leichten Viktoria. Inmitten dieser Damen lagen Sylvia und Laura d'Aurigny in den Kissen einer herrlichen Equipage. Auch Frau Michelin fuhr in einem Coupé; die niedliche kleine Frau hatte Herrn Hupel de la Noue in dem Hauptorte seines Departements aufgesucht und bei ihrer Rückkehr war sie im Bois in diesem Coupé erschienen, welchem sie binnen kurzer Zeit einen offenen Wagen hinzufügen zu können hoffte. Renée entdeckte auch die beiden Unzertrennlichen: die Marquise d'Espanet und Frau Haffner, die unter ihren Sonnenschirmen verborgen, neben einander lehnten und sich zärtlich lächelnd in die Augen blickten.
    Darauf kamen die Herren vorüber: Herr von Chibray in eleganter Kalesche, Herr Simpson im Dog-Car, darauf die Herren Mignon und Charrier, die trotz ihrer Behauptung, sich zur Ruhe setzen zu wollen, ihren Geschäften eifriger denn je nachgingen und ihren Wagen am Beginn der Allee zurückgelassen hatten, um zu Fuße ein Stück Weges zurückzulegen; Herr von Mareuil, der noch Trauer um seine Tochter trug und sorgfältig die ihm von allen Seiten werdenden und seinem ersten Zwischenruf in der Kammer geltenden Grüße erwiderte, im Wagen des Herrn Toutin-Laroche, der den Crédit Viticole wieder einmal gerettet hatte, nachdem er ihn hart an den Rand des Verderbens gebracht, und der im Senat immer magerer und ehrwürdiger wurde.
    Und gleichsam als Abschluß des Ganzen, als größte Zierde der langen Reihe erschien der Baron Gouraud, der in den doppelten Kissen seines Wagens ruhend, sich an den warmen Sonnenstrahlen erfreute. Zu ihrer Verwunderung, in die sich ein Gefühl des Ekels mengte, erkannte Renée neben dem Kutscher das weiße Gesicht, die feierliche Miene Baptiste's. Der würdige Mann war in die Dienste des Barons getreten.
    Immer noch glitten die Dickichte vorüber, das Wasser des Teiches glitzerte in den immer schiefer werdenden Sonnenstrahlen, die lange Reihe der Wagen warf hüpfende Schatten auf den Boden. Die junge Frau, die sich dem Zauber des herrlichen Tages nicht zu entziehen vermochte, war sich all' der Begierden bewußt, die sich da im Sonnenschein ergingen. Sie empfand keine Entrüstung gegen diese Leute, die den Genüssen des Lebens nachjagten. Doch haßte sie
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