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Die Treibjagd

Die Treibjagd

Titel: Die Treibjagd
Autoren: Emile Zola
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dieselben der Genugthuung, des Triumphes wegen, welchen ihre Mienen im goldenen Lichte des Himmels zur Schau trugen. Sie Alle sahen so schön, so lächelnd aus: weiß und wohlgenährt boten sich die Frauen den Blicken dar und die Männer blickten lebhaft, bewegten sich mit den anmuthigen Geberden glücklicher Liebhaber. Sie aber empfand in der Tiefe ihres leeren Herzens nichts mehr als eine Mattigkeit, ein dumpfes Verlangen. War sie denn besser als die Anderen, daß sie unter der Wucht der Vergnügungen derart zusammenbrach? oder verdienten die Anderen Lob, weil ihr Leib widerstandsfähiger war als der ihrige? Sie vermochte es nicht zu sagen, sie wünschte neue Begierden zu empfinden, um das Leben neu zu beginnen, als ihr bei einer Wendung des Kopfes auf dem sich längs der Hecke hinziehenden Fußwege ein Anblick zutheil wurde, der ihr den letzten niederschmetternden Schlag versetzte.
    Arm in Arm schritten Saccard und Maxime langsam dahin. Der Vater hatte dem Sohne offenbar einen Besuch gemacht und darauf waren Beide über die Avenue de l'Impératrice plaudernd bis zum Teich gegangen.
    »Du bist ein Narr«, sagte Saccard; »verstehe mich doch recht. Wenn man Geld hat wie Du, so läßt man es nicht todt liegen. In dem Unternehmen, von welchem ich mit Dir gesprochen, sind hundert Perzent zu verdienen. Das ist eine ganz sichere Anlage und Du weißt sehr gut, daß ich Dich um keinen Preis zu Schaden bringen möchte.«
    Den jungen Mann aber schien dieses Drängen zu langweilen. Er lächelte mit seiner hübschen Larve und betrachtete die Wagen.
    »Sieh' doch die kleine Frau dort unten, die in violetter Toilette«, sagte er mit einem Male. »Es ist eine Wäscherin, welche dieser blöde Mussy in die Mode gebracht hat.«
    Sie betrachteten die Frau in violetter Toilette, worauf Saccard eine Zigarre aus der Tasche zog und sich mit den Worten zu Maxime wandte, dessen Zigarre bereits brannte:
    »Gib mir Feuer.«
    Nun blieben sie Gesicht zu Gesicht geneigt einen Augenblick stehen. Und als die Zigarre angezündet worden, ergriff der Vater neuerdings den Arm des Sohnes und fuhr fort:
    »Du wärest nicht recht gescheidt, wenn Du nicht auf mich hören wolltest. Also abgemacht? Du bringst mir morgen die hunderttausend Francs?«
    »Du weißt doch, daß ich Dein Haus nicht mehr betrete,« erwiderte Maxime und preßte die Lippen zusammen.
    »Ach, was, Unsinn! Das muß doch einmal ein Ende nehmen!«
    Sie schritten einige Minuten schweigend dahin und während Renée, die sich einer Ohnmacht nahe fühlte, den Kopf in die Kissen des Coupe's lehnte, um nicht gesehen zu werden, entstand eine Bewegung, welche sich der ganzen Wagenlinie mittheilte. Auf den Trottoirs blieben die Fußgänger stehen, wandten sich um und betrachteten offenen Mundes etwas, was allmälig näher kam. Rascher rollten die Räder, die Equipagen fuhren ehrfurchtsvoll zur Seite und zwei grün gekleidete Vorreiter erschienen, von deren runden Mützen goldene Eicheln herunterhingen. Sie saßen etwas vornüber gebeugt auf ihren rasch trabenden Füchsen. Hinter ihnen kam der Wagen des Kaisers.
    Dieser nahm den Rückensitz seines Landauers allein ein. Er war ganz in Schwarz gekleidet, sein Leibrock bis ans Kinn zugeknöpft und sein hoher, etwas seitwärts sitzender Seidenhut glänzte im Sonnenlicht. Ihm gegenüber saßen zwei Herren in der tadellosen Eleganz, die in den Tuilerien gebräuchlich war, die Hände auf den Knieen, mit der ernsten, würdevollen Miene zweier Hochzeitsgäste, die inmitten der neugierigen Menge ihre Rundfahrt machen.
    Renée fand den Kaiser sehr gealtert. Unter dem dichten, aufgewirbelten Schnurrbart schien der Mund noch weicher geworden und die Lider schienen so schwer, daß sie das halb erloschene Auge, dessen graugelbe Pupille immer trüber ward, fast ganz verdeckte. Nur die Nase ragte noch immer scharf und entschieden aus dem verschwommenen Gesicht hervor.
    Während die in den Wagen sitzenden Damen leise lächelten, deuteten die Fußgänger mit den Fingern auf den Monarchen. Ein dicker Mann versicherte, der links mit dem Rücken zum Kutscher sitzende Herr sei der Kaiser. Einige Hände hoben sich zum Gruße. Saccard aber, der seinen Hut abgenommen hatte, bevor noch die Vorreiter passirt waren, wartete, bis sich der kaiserliche Wagen gerade ihm gegenüber befand, worauf er mit seiner derben, weithallenden Stimme rief:
    »Es lebe der Kaiser!«
    Erstaunt wandte sich der Monarch zurück und erkannte zweifellos den Enthusiasten, denn er erwiderte lächelnd
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