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Die Trasse von A'hi-nur

Die Trasse von A'hi-nur

Titel: Die Trasse von A'hi-nur
Autoren: Karl-Heinz Tuschel
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jetzt ebenfalls, und das auf eine Art, als wollte er sagen: Na siehste.
    Ich setzte an, etwas zu erwidern, aber Inge kam mir zuvor. »Sie werden uns das alles später erklären«, sagte sie zu Achmed, »jetzt gebe ich Ihnen noch ein Stärkungsmittel, dann schlafen Sie wieder.«
    Und Achmed gehorchte.
    Überhaupt muß ich sagen, daß Inge auch als Krankenpflegerin ein beachtliches Talent entwickelte. Ich weiß, manchem wird die Frage auf der Zunge liegen, ob es überhaupt etwas gab, was sie nicht konnte und ob sie nicht vielleicht auch diesen oder jenen negativen Zug habe, und ob es nicht ein bißchen übertrieben ist, wenn ich sie als in jeder Beziehung vollkommen hinstelle. Darauf kann ich nur eine Antwort geben: Wenn ich erzählen soll, dann kann ich sie nur so schildern, wie ich sie sehe.
    Inge also entwickelte Talente, und ich, nachdem ich die Zwillinge vermessen geschickt hatte, entwickelte mein stets vorhandenes Unbehagen gegenüber Berichten aller Art zu einer handfesten Abscheu vor dem Papierkram, den ich nun im Zusammenhang mit dieser ganzen Geschichte abfassen mußte. Da gab es nur eins – möglichst schnell hinter sich bringen!
    Aber als dann alles geschrieben und versiegelt auf meinem Klapptisch lag, wollte sich nicht wie sonst die Befriedigung darüber einstellen, daß dieses mir widerwärtige Geschäft erledigt war. Mir war zumute wie einem, der sich mit seinem Mädchen in einem Café verabredet hat, und wenn er hinkommt, sitzt die Mutter dabei.
    War ich gekränkt, weil ich nun nicht mehr der Chef war? Unsinn. War mir die zielbewußte Höflichkeit gegen den Strich gegangen, mit der der Ägypter sich wie mit einem Panzer umgab? Im Gegenteil, ich bewunderte ihn sogar ein bißchen. Zu Hause hätte ich wahrscheinlich über solche Floskeln gelacht, aber hier war ich ehrlich genug, vor mir selbst zuzugeben: Da kommt ein Ausländer, spricht mit dir und zwingt dir – in deiner eigenen Sprache! – den Ton auf, den er für zweckmäßig hält.
    Nein, der Grund meines Unbehagens war die Unterbrechung der Arbeit. Es gibt auch sonst für mich wenig, was mich so ärgern kann wie Unterbrechungen und dann die nachfolgende Hektik im Produktionsablauf. Sie nehmen der Arbeit alles Schöne, Befriedigende, Schöpferische. Sie nehmen einem einfach das Gefühl, daß man Herr über die Arbeit ist. Aber hier kam ja nun noch mehr hinzu: die Ungewißheit, was überhaupt werden würde.
    Und da entdeckte ich plötzlich, daß ich mit allen Fasern des Herzens an diesem Projekt hing, an dem wir bisher mitgearbeitet hatten. Ist der Mensch nicht komisch eingerichtet, daß er die Verbundenheit mit dem Werk seiner Hände so ganz richtig und deutlich immer erst dann fühlt, wenn etwas schiefgeht?
    Ich war also nicht in der besten Stimmung, als Achmed mich abends bat, alle zu einer Besprechung zusammenzuholen. Trotzdem war ich natürlich auch gespannt darauf, was wir nun hören würden.
    Achmed hatte wohl Erfahrungen mit solchen Situationen. Wahrscheinlich kam es öfter vor, daß er irgendwo hineinplatzte und alles auf den Kopf stellen mußte. Er hüllte sich wieder in seine unangreifbare Höflichkeit, bat noch einmal um Entschuldigung für alle Unannehmlichkeiten, die wir durch ihn hätten, stellte sich dann in angenehmer Weise vor, ohne im geringsten seine besonderen Vollmachten hervorzuheben, und ersuchte uns schließlich um das, was ihm ohnehin von allen entgegengebracht wurde: um unsere Aufmerksamkeit für einige Überlegungen, die er uns unterbreiten wolle.
    »Mein Arbeitsgebiet«, sagte er, »sind die vorgeschichtlichen Funde auf unserem Territorium. Ich möchte Sie nicht mit Poesie langweilen, aber können Sie sich vorstellen, daß es hier einmal nicht Sand, sondern grünes Land, klare Quellen, Palmenwälder und menschliche Siedlungen gegeben hat? Viele Geschichtsepochen sind versunken und verschwunden, und höchstens gelegentliche Funde oder mythologische Überlieferungen sind von ihnen geblieben. Sie haben zum Beispiel sicherlich schon einmal von Atlantis gehört – das ist eine solche Überlieferung. Dabei haben nicht nur Naturkatastrophen die Spuren früherer Kulturen weggewischt, sondern auch die Jahrhunderte kolonialer Unterdrückung. Heute wird ganz allgemein die Auffassung vertreten, daß die Wiege der Menschheit im Nordosten Afrikas gestanden hat. Begreifen Sie, welch eine Verantwortung unser Land gegenüber der Menschheit damit hat?
    Ich sage Ihnen das alles, damit Sie meinen Auftrag verstehen und den Veränderungen in
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