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Die Tränen der Prophetin: Roman (German Edition)

Die Tränen der Prophetin: Roman (German Edition)

Titel: Die Tränen der Prophetin: Roman (German Edition)
Autoren: Jocelyne Godard
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die Bettkante sinken. Während Tania wieder laut schluchzte, begann sich Alix allmählich zu beruhigen und klagte nur noch leise.
    »Wo ist das andere Kind?«, tobte Mathias und schüttelte Tania.
    »Es wurde tot geboren.«
    Tania war wie versteinert, als sie hörte, was sie da eben gesagt hatte. Sie schämte sich schrecklich, wollte aber auf keinen Fall mehr sagen und befreite sich aus dem Griff von Mathias, der sie noch immer schüttelte.
    Er hielt sie nicht zurück und knurrte nur: »Sollte Alix den Verstand verlieren, werde ich ihn ihr schon wieder zurückbringen.«
    »Was redet Ihr denn da, armer Mathias? Seht Ihr denn nicht, dass sie erst mal genug von der Liebe hat und nichts mehr davon wissen will?«
    Mathias zuckte nur die Schultern. Sein Zorn war verflogen. Es blieben nur noch seine Liebe zu Alix und seine schreckliche Ohnmacht.
    »Das meine ich nicht, Bertille. Ich will Alix mit ihrer Arbeit gesund machen. Schon morgen, wenn sie wieder vor ihrem Webstuhl sitzt, wird sie ihre Albträume von heute Nacht vergessen haben.«
     
    Allerdings kannte Mathias Alix’ intimste Geheimnisse nicht, weil keine verliebte Eskapade, nicht einmal andeutungsweise, ihre gute alte Freundschaft getrübt hatte – bis auf den einen, einzigen Kuss auf den Mund, den Mathias gefordert hatte, ehe sie nach Italien aufbrach.
    Niemals hatte Alix für Mathias mehr als nur tiefe Zuneigung empfunden, nicht einmal zu Zeiten, als noch Jacquous und Florines fröhliche Stimmen durch die damals kleine Werkstatt schallten.
    Sobald es hell wurde, stand Alix auf. Die Aufregungen der vergangenen Nacht waren vergessen und folgenlos geblieben. Die Bertille hatte Lisette kommen lassen, Juans Frau, die ein wenige Monate altes Kind auf dem Arm trug.
    »Wo kommst du denn her, Lisette?«, begrüßte sie Alix erfreut und sah sich das Kind an. »Das ist aber nicht Alfonso – und auch nicht Margarita, habe ich recht?«
    »Ja, Dame Alix, es ist Maria. Ich wollte Euch gerade vorschlagen, dass sie sich meine Milch mit Eurer Valentine teilen kann.«
    »Dann hast du also gerade dein drittes Kind bekommen? Ach, Lisette, dich schickt der Himmel! Ich will dich auch gut für die
Milch bezahlen, die du mir gibst. Und wenn deine kleine Maria groß ist und etwas braucht, zum Beispiel für ihre Aussteuer, kann sie zu mir kommen und ich unterstütze sie.«
    Nachdem Alix der Bertille und Leo einige Anweisungen erteilt hatte, wandte sie sich an Tania.
    »Du hast jetzt etwas freie Zeit, weil sich Lisette um Valentine kümmert«, sagte sie zu Tania. »Komm mit, ich will dir meine Werkstätten zeigen.«
    Darüber war Tania ganz erleichtert, weil sie so weiteren neugierigen Fragen entging, die ihr die Bertille sonst bestimmt gestellt hätte. Blieben allerdings noch die von Mathias, der bestimmt keine Ruhe geben würde. Aber in der Werkstatt konnte sie dem Weber wahrscheinlich besser aus dem Weg gehen, weil er angeblich ständig mit seiner Arbeit beschäftigt war.
    Zuerst stattete Alix ihrem Verkaufskontor einen Besuch ab. Julio, der das Geschäft leitete, zeigte sich ein wenig zurückhaltend wegen der Vorkommnisse des vergangenen Abends, aber sie verstanden sich einfach zu gut, als dass der Zwischenfall ihre Freundschaft trüben konnte. Als Alix sah, wie heiter und gelassen Angela in Julios Gesellschaft wirkte, fand sie, die beiden sollten bald heiraten.
    Um ihr harmonisches Verhältnis zu stärken, kam Alix gleich auf das Wesentliche zu sprechen.
    »Jean hat die Geschichte mit dem Geld heil überstanden, Julio. Zum Glück konnte sie ihm nicht schaden. Papst Julius II. hat sich nur an den drei Bankiers dafür gerächt, und Jean ist nach Rom zurückgekehrt. Ich hätte viel drum gegeben, hätte ich ihn noch sehen können.«
    Julio nickte verständnisvoll und fragte:
    »Werden wir trotzdem weiter mit Florenz zusammenarbeiten?«
    »Aber natürlich«, antwortete Alix und schenkte ihm ein aufmunterndes
Lächeln. »Allerdings wirst du das nächste Mal allein nach Italien fahren. Fürs Erste wollen wir uns mit den guten Beziehungen begnügen, die wir bereits zu Florenz unterhalten.«
    Julio ging zu Angela und führte ihre Hand an seine Lippen. Mit ihrem engelsgleichen Gesicht sah sie ihn an, und er küsste sie zärtlich auf den Mund.
    »Ich nehme an, Angela hat dir alles erzählt.«
    »Alles, was sie weiß.«
    »Ein Rest an Ungewissheit bleibt, aber darüber möchte ich nicht reden.«
    »Dann behalte es für dich, Alix, und versuche zu vergessen, was dich bedrückt.«
    Zu Julio
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