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Die Tränen der Prophetin: Roman (German Edition)

Die Tränen der Prophetin: Roman (German Edition)

Titel: Die Tränen der Prophetin: Roman (German Edition)
Autoren: Jocelyne Godard
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Bertille wollte ihr schon das Kind abnehmen und sich ohne weitere Fragen um das kleine Mädchen kümmern, als Alix der verblüfften Gesellschaft erklärte:
    »Das ist meine kleine Tochter Valentine.«
    »Oh!«, machte Pierrot und hielt sich erschrocken die Hand vor den Mund.
    Die Bertille riss staunend die Augen auf und hätte jetzt doch gern etwas mehr erfahren. Dann fiel ihr aber plötzlich wieder ein, wie schlecht es Alix vor ihrer Abreise gegangen war.
    »Das Püppchen da habt Ihr aber nicht aus Italien!«
    Alix zuckte nur die Schultern. Sie spürte Mathias’ fragenden Blick, wich ihm aber aus und antwortete nur knapp:
    »Ich war schon schwanger, als ich nach Italien gefahren bin. Mehr gibt es dazu nicht zu sagen.«
    »Ist wahrscheinlich von deinem Alessandro, oder?«, meinte Mathias sarkastisch.
    Jetzt war sein Name gefallen, und Alix taumelte zurück. Mathias hatte sich verändert, und er sah sie mit anderen Augen an. Kalter Schweiß lief ihr über den Rücken, sie musste sich unbedingt wieder unter Kontrolle bekommen. Endlich erwiderte sie seinen Blick, es war wie ein kurzes Kräftemessen. Einen Moment lang befürchtete sie, er würde ihr weitere provozierende Bemerkungen an den Kopf werfen, aber sein Mund blieb verschlossen und Mathias sah sie nur unversöhnlich an.
    Sie kam ihm so nahe, dass sich ihre Gesichter beinahe berührten.
    »Ich will nicht, dass ihr seinen Namen noch einmal vor mir aussprecht  – und du am allerwenigsten, Mathias. Alessandro ist tot.«
    »Tot! Wie kann das sein?«, rief Julio, der den Florentiner Bankier als Einziger außer Angela gekannt hatte.
    »Tot! Wie denn, tot?«, fragte die Bertille und schaute ratlos zwischen dem Kind und Alix hin und her.
    »Es reicht, Bertille!«, schrie Alix außer sich. »Wenn ich sage tot, heißt das tot! Er wurde wie viele Hunderte andere von den Kanonen der Italienkriege niedergestreckt und zerfetzt. Er konnte nicht einmal mehr seine Tochter sehen. Seid ihr jetzt zufrieden? Wollt ihr noch mehr wissen?«
    Mathias wich vor ihr zurück. Er war noch immer leichenblass. Langsam drehte er ihr den Rücken zu und ging ans Fenster der großen Küche, in der sie eben noch alle gemeinsam zu Tisch gesessen hatten.
    »Was soll ich dazu noch sagen?«, wiederholte Alix nicht mehr ganz so aufgebracht. »Das hier ist Tania, die sich um meine Tochter kümmern wird. Sie hat mir auch geholfen, als das Kind zur Welt kam. Aber gleich morgen müssen wir eine Amme suchen, weil ich nicht genug Milch habe.«
    »Sie ist sehr hübsch, die Kleine«, beteuerte Bertille, um das peinliche Schweigen zu überbrücken. »Und sie sieht ihrer Mama sehr ähnlich.«
    Mathias drehte sich um, kam auf Alix zu und nahm nun endlich auch das Kind zur Kenntnis, das er lange wortlos musterte.
    Alix seufzte.
    »Fürs Erste habe ich euch sonst nichts zu sagen, außer was die Arbeit anbelangt, aber das können wir auf morgen verschieben.«
    »Ich habe keinen Hunger«, sagte sie zu Bertille. »Ich bin sehr müde und will gleich schlafen gehen. Bereite eine Wiege für Valentine vor, und kümmere dich mit Tania um sie.«
    Ehe sie die Küche verließ, wandte sich Alix noch einmal an Mathias, der irgendwie verlassen mitten im Raum stand und sich nervös mit der Hand seine widerspenstigen roten Locken aus der Stirn strich.
    »Valentine wird zusammen mit Nicolas aufwachsen«, erklärte sie kurz und bündig, und nach dieser Ankündigung, die keinen so recht überraschte, verließ sie die Küche und ging in ihr Zimmer.
    Zum ersten Mal seit Langem allein kamen Alix die Tränen, weil sie plötzlich merkte, wie sehr ihr Alessandro fehlte. Seit sie von seinem Tod erfahren hatte, war so viel passiert, dass ihr die grausame Tatsache gar nicht richtig bewusst geworden war. Was sollte
nur aus ihr werden, ohne ihn, ohne seine Sorge um ihre Werkstätten und ihre Teppiche? Nie zuvor hatte sie sich so allein und verlassen gefühlt wie an diesem Abend. Laut schluchzend legte sie sich auf ihr Bett, vergrub das Gesicht in den Händen und ließ ihrem Schmerz freien Lauf. Sie hatte noch kein einziges Mal um Alessandro geweint, aber jetzt wollte sie mit ihren Tränen alle Trauer fortschwemmen, auch wenn sie wusste, dass die Leere, die sie zurückließ, sie schrecklich quälen würde.
    Warum hatte ihr das Schicksal nur so viele traurige Erfahrungen zugedacht? Erst der Tod von Jacquou und ihren beiden Söhnen, und jetzt war Alessandro gestorben, den sie geliebt hatte, obwohl sie wusste, dass er sie nie heiraten würde. Ihr
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