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Die Tränen der Henkerin

Die Tränen der Henkerin

Titel: Die Tränen der Henkerin
Autoren: Sabine Martin
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niederlegen! Sofort!« Die Stimme kam näher. »Das ist ein Befehl!«
    »Ein Befehl?«, murrte einer der Ritter und sah sich um. »Wer will hier Befehle erteilen? Zeigt Euch!«
    Ein Jüngling, kaum mehr als ein Kind, trat vor die Schützen. Sein Körper war mit Muskeln bepackt, seine Haltung aufrecht und sein Gesichtsausdruck entschlossen.
    Der Hauptmann lachte. »Seit wann nehmen wir Befehle von einem Waffenschmied entgegen?« Er musterte den Neuankömmling abschätzig.
    »Ihr wisst, wer ich bin.« Der Bursche baute sich vor dem Hauptmann auf. »Und Ihr wisst, dass Ihr mir gehorchen müsst.«
    Der Hauptmann spuckte auf den Boden. »Achtung, Männer, ich senke jetzt den Arm. Dass mir keiner schießt, bevor ich es anordne!« Er ließ langsam den Arm sinken und stemmte die Hände in die Hüften. »Und du, du Wicht, hast mir gar nichts zu befehlen! Ich gehorche nur der Herrin.«
    »Seid Ihr blind und taub? Die Herrin ist tot! Sie liegt zerschmettert im Hof!«, rief der Schmied. »Deshalb bin ich nun Herr der Adlerburg.«
    »Wie kommst du darauf, Bürschlein?«, fragte ein dürrer Ritter und trat näher.
    Wendel hielt gespannt den Atem an. Er hatte keine Ahnung, wer der Bursche war, doch Mut besaß er für zehn, so viel stand fest. Unbewaffnet war er zwischen sie und ein halbes Dutzend gespannte Armbrüste getreten, obwohl sich jederzeit ein Schuss lösen konnte.
    Der Schmied straffte seinen Körper und erhob die Stimme. »Ich bin Nicklas, Sohn des Ottmar de Bruce, und damit rechtmäßiger Herrscher der Adlerburg, und zwar so lange, bis mein kleiner Bruder alt genug ist, diese Aufgabe zu übernehmen. Und deshalb befehle ich Euch allen, die Waffen niederzulegen und meine Gäste …«, er deutete auf Melisande, Wendel und Gertrud, »… und meine Gäste sicher nach unten in den Palas zu geleiten.«
    Der Hauptmann glotzte wie ein Kalb. Er schien nicht so recht zu wissen, auf welche Seite er sich schlagen sollte. Der dürre Ritter blieb argwöhnisch. »Wieso sollte ein Bastard Burgherr werden?«, fragte er mit zusammengekniffenen Augen. »Ich beuge mein Knie nicht vor einem Handwerkergesellen.«
    Die übrigen Ritter sahen neugierig von einem zum anderen. Wendel verfolgte den Schlagabtausch gebannt. Hoffnung keimte in ihm auf. Ihr Schicksal hing davon ab, ob der Schmied mit diesem angriffslustigen Ritter fertig wurde.
    Nicklas streckte die Hand aus. Der Hauptmann begriff sofort und machte einem seiner Männer ein Zeichen, der vortrat und dem Schmied ein Schwert reichte. Der wiegte es prüfend in der Hand, bevor er den dürren Ritter auffordernd ansah. Ein breites Grinsen trat auf dessen Gesicht. Offenbar hielt er den Burschen nicht für einen ernst zu nehmenden Gegner.
    »Macht Platz!«, befahl der Hauptmann.
    Die Männer traten zurück. Die beiden Widersacher hoben ihre Schwerter. Der Ritter führte den ersten Schlag. Blitzartig sprang er nach vorn und hieb auf den Schmied ein. Doch der drehte sich geschickt zur Seite und schlug zurück, noch bevor der Ritter das Schwert erneut anheben konnte. Nicklas ließ nicht mehr von dem Mann ab. Hieb um Hieb schlug er auf ihn ein, drängte ihn immer weiter auf die Burgmauer zu. Wendel staunte. Dieser Bursche konnte nicht nur Schwerter schmieden, er wusste auch meisterlich mit ihnen umzugehen. Zum ersten Mal meinte Wendel, eine entfernte Ähnlichkeit zwischen ihm und seinem Vater zu erkennen. Ottmar de Bruce war ebenso unerschrocken gewesen und nicht minder geschickt mit der Klinge. Aber dieser Bursche war nicht nur ein beherzter Kämpfer, er war auch klug. Mehrfach bot sich ihm die Gelegenheit, dem Ritter einen tödlichen Stoß zu versetzen, doch er nahm sie nicht wahr.
    Schließlich war der Kampf auch ohne Blutvergießen entschieden. Mit einem letzten kräftigen Hieb schlug Nicklas seinem Gegner die Waffe aus der Hand und setzte ihm die Spitze seines Schwertes auf die Brust. »Wer ist dein Herr, Ritter?«
    »Ihr seid es!«, keuchte der Ritter atemlos. »Ihr seid mein Herr!« Er fiel auf die Knie und senkte den Kopf.
    Nicklas ließ seinen Blick über die übrigen Soldaten schweifen. »Gibt es noch jemanden, der meine Herrschaft anzweifelt?«
    Niemand sagte etwas, bis der Hauptmann schließlich vortrat und rief: »Es lebe der Herr der Adlerburg, Nicklas de Bruce! Gott schütze ihn!«
    »Gott schütze den neuen Herrn der Adlerburg!«, fielen die übrigen Soldaten in den Jubel ein. Die Armbrüste wurden gesenkt und entspannt. »Hoch lebe Nicklas de Bruce! Hoch lebe der neue Herr der
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