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Die Tränen der Henkerin

Die Tränen der Henkerin

Titel: Die Tränen der Henkerin
Autoren: Sabine Martin
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sie war so geschickt darin, dass sie für ihre Kunst weit über die Stadtgrenzen von Esslingen hinaus berühmt gewesen war. Selbst Ottmar de Bruce hatte sie damit beeindruckt, so sehr, dass er sich von ihr im Umgang mit dem Schwert hatte unterrichten lassen.
    Von Säckingen unterdrückte ein Stöhnen. Er spürte Melisandes Blick auf sich, sah sie an. In ihren Augen lag eine Frage. Sein Herz drohte ihm aus der Brust zu springen, als er stumm antwortete.
***
    Melisande schloss die Augen und sammelte ihre Kräfte. Herr im Himmel, steh mir bei! Sie hob das Schwert, drehte sich in der Hüfte und schlug mit einer einzigen fließenden Bewegung dem Wachmann, der direkt hinter Wendel stand, den Kopf ab. Noch bevor die übrigen Männer reagieren konnten, hieb sie das Schwert dem nächsten in den Oberschenkel, aus dem sofort eine Blutfontäne spritzte.
    Wendel griff sich das Schwert des Verletzten, sprang vor, hob Gertrud von der Mauer und hieb zugleich auf Othilia ein, damit sie den Gürtel losließ. Die Gräfin schien sich bereits nicht mehr für Gertrud zu interessieren. Noch bevor Wendels Hieb sie treffen konnte, ließ sie den Gürtel fallen, stürzte mit einem ohrenbetäubenden Wutschrei los und nahm einem der Männer das Schwert ab.
    Wendel fuhr blitzschnell herum. Seine Tochter im Arm, das Schwert in der Hand, stellte er sich drei Männern zugleich, die sich mit gezogenen Klingen und vor Angst geweiteten Augen auf ihn zubewegten. Melisande ahnte, was sie dachten: Wenn schon die Frau mit einem einzigen Schlag einen Mann köpfen konnte, welche Kräfte schlummerten dann wohl in ihrem Gemahl?
    Othilia hingegen schien keine Angst zu verspüren, nur Wut und Hass. Mit erhobenem Schwert stürmte sie auf Melisande zu, die den ersten Schlag mit einer schnellen Bewegung abwehrte.
    Melisande wusste, dass sie die bessere Kämpferin war, doch sie war müde, ihr verletzter Arm schmerzte, und ihr Schwert war nicht für den Kampf geschaffen. Lieber Gott, verlass mich nicht!
    Wieder schlug Othilia zu, ihre Kraft schien sich in ihrer Raserei zu verdoppeln. Melisande hielt noch einem weiteren Schlag stand, dann aber musste sie das Schwert kurz sinken lassen. Dem nächsten Hieb entging sie nur, weil sie sich blitzartig wegdrehte.
    Aus den Augenwinkeln sah sie Wendel, der die drei Männer nach wie vor in Schach hielt, aber immer weiter zurückweichen musste. In dem Augenblick sprang von Säckingen hinzu, ohne Mühe wehrte er die entsetzten Angreifer ab, von ihm hatten sie keinen Angriff erwartet.
    Melisandes Herz machte einen Satz. Sie hatte seinen Blick also richtig gedeutet: Er hatte die Seiten gewechselt.
    Othilia folgte Melisandes Blick und stieß einen Wutschrei aus. »Du hast ihn verhext, du elendes Miststück!«, brüllte sie mit sich überschlagender Stimme und hieb so schnell und kraftvoll auf Melisande ein, dass ihr das Richtschwert aus der Hand fiel.
    Melisande taumelte zurück, rechnete jeden Augenblick mit dem tödlichen Hieb. Schon hob Othilia ihre Waffe erneut. Ihre Frisur hatte sich gelöst, eine dunkle Haarsträhne hing ihr in die Augen, in denen blanker Hass loderte. »Fahr zur Hölle, Melisande Wilhelmis!«, rief sie und stach zu. Doch das Schwert fiel zu Boden, ebenso wie die Hand, die es geführt hatte.
    Entsetzt starrte Othilia auf ihren blutenden Armstumpf, dann auf von Säckingen, der erneut ausholte und ihr das Schwert in den Unterleib stieß.
    Othilia stöhnte, riss die Augen auf, wankte ihm entgegen und krallte ihre linke Hand in seine Haare. Verzweifelt versuchte von Säckingen, sich loszumachen, doch die Gräfin ließ nicht locker. Gemeinsam taumelten sie auf das Loch in der Mauer zu, das nur notdürftig mit Holzbrettern gesichert war. Othilia lehnte sich mit dem Rücken gegen das Holz, mit ihrer ganzen verbleibenden Kraft noch immer an den Ritter geklammert, bis ihr schwarzes Haar über dem Abgrund flatterte. Von Säckingen versuchte, sich loszureißen, doch die Gräfin hatte den blutenden Stumpf in seinen Gürtel geschoben.
    »Ihr dachtet, Ihr könntet mich mit dieser rothaarigen Metze betrügen!«, schrie sie. »Ihr dachtet tatsächlich, Ihr könntet damit durchkommen! Seid verflucht, von Säckingen!« Sie lehnte sich immer weiter zurück, zerrte den Ritter unerbittlich mit sich. »Seid verflucht, Eberhard von Säckingen!«
    Von Säckingen drehte den Kopf zu Melisande. Seine Lippen formten Worte, doch sie konnte sie nicht hören.
    Melisande schrie auf und rannte auf ihn zu, um ihn zu packen, doch es war bereits
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