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Die Tote vom Johannisberg

Die Tote vom Johannisberg

Titel: Die Tote vom Johannisberg
Autoren: Oliver Buslau
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erinnern. Viele wissen das zu schätzen: gute, blonde, deutsche Frauen. Sicher, die Filme sind ein bißchen unmoralisch, aber die Zeiten ändern sich. Die Moral wird lockerer, aber die deutschen Ideale bleiben. Die Polen und die Tschechen - diese Kanaken haben uns jahrelang diese Geschäfte streitig gemacht. Doch ich habe sie in deutsche Hand zurückgeholt. Es war ein ganz schönes Stück Arbeit. Eigentlich sollte man mir dafür einen Orden verleihen.«
    Mallbergs Blick ging in eine unbestimmte Ferne. Er sah so aus, als erwarte er, daß man ihm die Auszeichnung jeden Moment anhefte.
    »Einen Orden? Dafür, daß Sie wehrlose Leute umbringen?«
    Mallberg kehrte gedanklich in die Wirklichkeit zurück und sah mich an. »Ehre ist kein Fremdwort für mich, Rott. Selbstverständlich werde ich Ihnen die Fesseln abnehmen, bevor ich Sie erschieße. Übrigens mit Ihrer eigenen Waffe. Mal sehen, vielleicht können es meine Leute als Selbstmord tarnen. Außerdem werden wir in Ihrer Wohnung ein bißchen Heroin verstecken. Dann waren Sie eben auch in krumme Geschäfte verwickelt. Kein Wunder, bei Ihrem chronischen Geldmangel. Keiner wird Ihnen eine Träne nachweinen.«
    »Warum haben Sie es so eilig«, fragte ich dazwischen. »Wo steckt Jutta?«
    »Herrlich! Ein Detektiv bleibt eben ein Detektiv. Auch im Angesicht des Todes bleibt er noch seiner größten Tugend treu: der Neugier … Das weiß ich zu schätzen, Rott. Sie sind ein Held. Also: Steinbach hat ein bißchen zu dick aufgetragen, als er mit seinen Leuten Frank Wolf umbrachte. An so etwas kommt auch eine gut geschmierte Polizei nicht mehr vorbei. Wir werden diese Stadt nun verlassen. In zwei Stunden geht unser Flieger von Düsseldorf. Unsere Ware wird mit dem Lkw in ein besseres Versteck gebracht. Wenn wir weg sind, werden nur noch Sie hier unten sein - und Ihre liebe … wie soll ich sagen … Freundin Jutta. Natürlich als Leichen.«
    »Was sind Sie für ein Mensch, Mallberg? Denken Sie doch mal an Ihre Tochter! Geht Ihnen Reginas Tod kein bißchen nahe? Sie war eine Künstlerin, Mallberg. Sie halten doch so viel von deutscher Heimat, von deutscher Tradition. Regina hat viel für die deutsche Kultur getan. Sie hat doch auf dem Klavier sicher auch Bach und Beethoven gespielt. Und der Walzer, den Satorius entdeckt hat. Ein Stück deutsche Tradition. Wuppertaler Tradition. Ist das nichts?«
    »Lehár war Österreicher«, winkte Mallberg ab.
    »Ja, genauso wie Adolf Hitler.«
    Ich hatte ihn zu sehr gereizt. Mein Versuch, an die Vaterseele zu apellieren, war schiefgegangen. Mallberg nahm meine Pistole.
    »Halten Sie den Mund.«
    »Man kann den Schuß hören«, wandte ich ein.
    »Machen Sie sich nicht lächerlich«, gab Mallberg ruhig zurück. »Kommen Sie. Stehen Sie auf.«
    Ich überhörte seine Aufforderung. »Warum dieses Doppelleben, Mallberg? Auf der einen Seite der biedere Familienvater, auf der anderen der Gangsterboß?«
    Er antwortete nicht. Ich konnte mir die Antwort selbst geben. Schließlich hatte man in der Geschichte von deutschen Bürgern gehört, die tagsüber ein KZ befehligten und am selben Abend mit ihrer Familie Weihnachten feierten.
    »Und was ist mit Ihrer Frau?« fragte ich. »Sie scheint ja von all dem hier gar nichts zu wissen.«
    »Weiß sie auch nicht. Sie weiß nur, daß ich gleich eine längere Geschäftsreise unternehmen werde. Das ist alles. Sie ist nämlich eine sehr gehorsame Frau, wissen Sie. Meistens jedenfalls - wenn sie nicht gerade auf eigene Faust Ermittler engagiert. Los jetzt, Rott. Ich habe keine Zeit mehr.«
    Ich stellte mich auf die Beine und spürte, daß sie eingeschlafen waren. Ich konnte nur langsam gehen. Ich nutzte die Zeit, um meine Lage zu überdenken, und überlegte, ob ich Mallberg angreifen sollte. Selbst wenn es mir gelingen würde, ihn zu überwältigen, würde ich es kaum schaffen, das Gebäude zu verlassen. Aber ich könnte ihn als Geisel nehmen und damit zumindest Zeit gewinnen. Vorausgesetzt, ich bekam die Waffe in die Hand. Aber ich trug immer noch diese Handschellen.
    Mallberg öffnete die Eisentür. Der Raum dahinter war stockdunkel. Er betätigte einen Schalter, Licht flammte auf. In der hinteren Ecke saß Jutta. Ihre Augen waren angstvoll aufgerissen. Sie hatte einen Klebestreifen vor dem Mund und die Arme auf dem Rücken gefesselt.
    Mallberg bückte sich, um sie hochzuziehen. In dieser Sekunde bekam ich meine Chance. Ich holte aus und knallte Mallberg die Handschellen gegen die Schläfe. Der Schlag traf ihn
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