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Die Tote im Badehaus

Die Tote im Badehaus

Titel: Die Tote im Badehaus
Autoren: Sujata Massey
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meine Schuld, daß ich mit diesen verdammten kanji nichts anfangen kann. Und als ich Sie – Ihre Haare – gesehen habe, dachte ich zuerst, Sie wären ein Mann. Als Sie sich umgedreht haben, habe ich natürlich meinen Fehler erkannt.« Er gewährte mir das gleiche schiefe, sexy Lächeln wie Setsuko Nakamura.
    »Wie lange sind Sie schon in diesem Land?« fragte ich.
    »Seit neun Monaten ungefähr …«
    »Ich würde Ihnen vorschlagen, zuerst einmal die Schilder an den Badezimmertüren lesen zu lernen, wenn Sie noch länger bleiben möchten. Sie hatten großes Glück, daß Sie nicht bei einer Japanerin hineingeplatzt sind. Sie hätten sie über alle Maßen beleidigt.«
    »Sie sind aber doch Japanerin, mehr oder weniger. Obwohl ich nicht verstehe, was für ein Spielchen Sie mit Ihrer Nationalität spielen.«
    Ich wappnete mich und antwortete: »Es ist doch egal, wo meine Eltern herkommen, oder? Ich bin nämlich nicht durch Traditionen gebunden und lasse Ihnen alles durchgehen, so daß Sie andere ausnutzen können.«
    »Andere ausnutzen?« fragte er und unterdrückte nur mühsam ein Lachen.
    »Ja, Sie nutzen doch die Menschen in diesem Land aus, die zu höflich sind, um Ihnen zu sagen, daß Sie einige Dinge selbst erledigen sollten!« schimpfte ich.
    »Sie sind eine harte Frau, Rei Shimura. Da stehe ich nun und entschuldige mich, obwohl es für mich doch genauso schlimm war. Ich habe mich weiß Gott geschämt, splitternackt vor Ihnen zu stehen.«
    »Okay«, sagte ich in einem übermenschlichen Versuch, Geduld zu zeigen. »Ich sehe ein, daß es ein Versehen war. Und ich weiß, daß Japanisch einem nicht zufliegt. Man muß es lernen.«
    »Dann bitte ich Sie um Hilfe! Betrachten Sie mich als Ihren Ferienschüler.«
    Wieder fiel mir sein Grinsen auf – hatte er sich wirklich geschämt? –, und ich sagte: »Sie haben ja bereits Kontakt zu Japanern.«
    »Setsuko?«
    Sie war zwar diejenige, an die ich gedacht hatte, aber er hätte so anständig sein können, seine männlichen Kollegen zu erwähnen. Mit perfektem Timing ging die Tür seines Nebenzimmers auf. Die Frau, von der wir gerade sprachen, kam heraus, nur mit einer yukata und ihren wunderschönen Perlen bekleidet.
    »Was gibt es denn, Hugh?« Sie sprach so vertraut zu ihm wie eine Ehefrau.
    »Ach, ich übe nur gerade meine englischen Konversationsfähigkeiten. Es ist Zeit für ein Bad, nicht?«
    »Ja. Wie steht es mit Ihnen?« Ihre Stimme klang einladend.
    »Ich habe schon. Das Wasser ist ziemlich heiß. Gebranntes Kind scheut das Feuer.« Hugh zwinkerte mir zu.
    »Entschuldigen Sie, aber wollen Sie die Kette im Wasser tragen?« unterbrach ich, den Blick auf Setsukos kolossale Perlen gerichtet. So unsympathisch sie mir auch war, ich konnte es doch nicht ertragen, daß etwas so Wertvolles zerstört wurde.
    »Natürlich. Dieses Mineralbad ist gut für Perlen. Es reinigt sie.« Setsuko strich über die Perlen. »Als Amerikanerin wissen Sie das wahrscheinlich nicht.«
    »Amerikanerinnen bevorzugen Diamanten, stimmt’s?« scherzte Hugh.
    Wenn das ein Versuch gewesen sein sollte, mich zu verteidigen, dann war es ein schlechter. Ich beschloß, daß beide eine kleine Lektion verdient hatten, wie ich sie sonst nur meinen ungezogensten Vertreterklassen zukommen ließ.
    »Bei meiner Arbeit im Museum habe ich gelernt, daß ein gelegentliches Salzwasserbad relativ harmlos für Perlen ist.« Vergnügt bemerkte ich, wie Setsuko starr wurde. »Der genaue Salzgehalt des Wassers hier ist aber nicht bekannt. Ich würde Ihnen deshalb davon abraten, mit den Perlen ins Wasser zu gehen, weil das Wasser die Knoten aufweicht, was dazu führen könnte, daß die Kette reißt. Die Perlen werden bei ihrer jährlichen Reinigung ja immer neu aufgefädelt.« Ich machte eine kurze Pause. »Sie lassen Ihre Perlen doch professionell reinigen?«
    »Bei Mikimoto.« Setsuko kniff ihre runden Augen zusammen, bevor sie davonrauschte.
    Hugh salutierte spöttisch. »Gut gemacht, aber wissen Sie genausoviel über die Pflege von Textilien? Ich hätte da etwas Bügelwäsche …«
    »Nein«, schnauzte ich. »Aber warum gehen Sie denn nicht gleich mit ihr baden? Lassen Sie nur nichts anbrennen!«
    Hugh Glendinnings aufreizendes, ausländisches Lachen folgte mir nach unten, und ich verfluchte mich dafür, daß ich nie etwas auf sich beruhen lassen konnte. An diesem Problem mußte ich unbedingt arbeiten. Vielleicht im neuen Jahr.

3
    Die Sonne schimmerte durch das sh ō ji -Papier vor dem Fenster und erfüllte mein
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