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Die Toechter Egalias

Die Toechter Egalias

Titel: Die Toechter Egalias
Autoren: Gerd Brantenberg
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Sie waren kaum faßbar, so daß sie von einem Fachgebiet zum nächsten geschoben werden konnten, ohne je in eines integriert zu werden.
    „Was bedeutet biologisch?“
    „Biologisch, das ist das Leben, wie Göttin es zu ihrer Zeit erschuf: Frau und Mann im Naturzustand. Und alle Tiere. Zuerst erschuf Sie die ganze Welt, und ganz zum Schluß erst erschuf Sie die Wibsche. Eigentlich sollte dies die Krönung Ihres Werkes sein, und Sie wollte nichts mehr erschaffen. Sie hatte aber nicht damit gerechnet, daß sich die von Ihr erschaffene Wibsche einsam fühlte. Sie hatte sicherlich auch nicht richtig darüber nachgedacht, wie die Wibsche sich vermehren sollte, wenn es nur ein Exemplar von ihr gab. Die Wibsche klagte der Göttin ihre Not, und Göttin nahm ein Glied von der Wibsche und machte daraus den Mann. Das ist die Erklärung dafür, daß es der Frau erspart blieb, das empfindsamste und verletzbarste Glied aller Glieder zu tragen. Das ist ihre Stärke geworden. Und weil ihre Entwicklung fortgeschritten ist, hat sie verstanden, sich das zunutze zu machen.“
    „Ich begreife das nicht richtig...“, sagte Ann. Die ganze Klasse spürte ebenfalls sofort, daß niemand das richtig verstanden hatte. Denn wenn der Mann physisch stärker war als die Frau, warum übernahm er dann nicht die Macht?
    „Typisch Mann! Er ist einfach zu dumm!“ rief Ba.
    „Nein, genau hier tritt Göttins großartige und gerechte Schöpfungsordnung ins Bild. Nachdem der Mann erschaffen worden war, erkannte er sofort, daß er der Frau angehörte. Er sah ein, wenn sie es wünschte, wäre er genötigt...“
    Es klingelte. Ein Glück, dachte das Herrlein, denn er war nun überzeugt, daß er sich weit über den Rahmen des Faches Zivilisationskunde hinausgewagt hatte. Er griff nach seinem lachsroten Koffer, in dem er immer seine Schulbücher trug. Plötzlich bemerkte er, daß nicht ein einziger Schüler aufgestanden war. Das erste Mal in seinem zwanzigjährigen Herrlein-Dasein waren die Schüler beim Klingeln nicht mitten im Satz aus der Klasse gestürmt.
    „Wozu wäre er genötigt gewesen?“ fragte Ba. Das Herrlein hatte am Hals rote Flecke bekommen.

Der Frühlingsball

    Das große 25 Frau starke Orchester spielte auf. Der Frühjahrseinführungsball hatte begonnen. Petronius stand etwas eingeklemmt in einer Ecke des Ballsaales dicht neben seinem Klassenfreund Wolfram Saxe. Er hatte rote Wangen und schwitzte. Dann besah er sich kurz die Achselhöhlen, ob möglicherweise etwas zu sehen war, und erschrak. Die türkisfarbene Bluse hatte unverkennbar eine dunklere Farbe angenommen. Bei diesem Anblick schwitzte er noch mehr. Sie saß einfach zu eng. Er konnte den Stoff auf den Rippen fühlen, die sich wohl auch etwas abzeichneten. Trotz allem, er sah gar nicht so übel aus. Und nun sollte der Tanz beginnen. „Wolfram“, flüsterte er, „ich geh’ nur mal für einen Augenblick runter.“ Wolfram griff nach dem Goldband, das Petronius um die Taille trug. „Hat sich dein PH gelockert?“
    „Nein, ich will nur...“
    „Dann beeil dich“, unterbrach ihn Wolfram, „alle gucken schon zu uns hin. Du darfst den Gesamteindruck jetzt nicht verderben. Ich jedenfalls will die Sache heute abend hinter mich bringen.“
    Petronius rannte in den Waschraum und suchte in seinem Handköfferchen nach Watte. Er stürzte in eine Toilette, denn er wollte unter keinen Umständen gesehen werden, und trocknete sich die Achselhöhlen. Papa hatte gesagt, daß das Deodorant völlig sicher sei. Doch Nervosität konnte es wohl nicht bannen.
    Mit Grausen hatte Petronius monatelang auf den Einführungsball gewartet. Über nichts anderes hatten die Jungen mehr gesprochen. Die meisten hatten bereits auf die eine oder andere ein Auge geworfen. Lillerio Monatochter, der Nachbarssohn, war hinter einer mit Pferdeschwanz her, sie hieß Liv Kraft und war die Beste im Stabhochsprung. Baldrian Ödeschär war verrückt nach Eva Barmerud, der Tochter der Rektorin, und Wolfram war unsterblich in Ann Plattenberg verliebt. Es war eine ganze Clique. Sie beteten ihre Heldinnen an und schrieben ihnen Liebesbriefe, die sie jedoch trotz ihrer großen Liebe und trotz ihres Herzeleids nicht abzuschicken wagten. Petronius wußte eigentlich nicht genau, in wen er verliebt war.
    Er schob zwei Wattebäusche in jeden Ärmel und rannte wieder nach oben. Es war nicht leicht, in den engen Schuhen zu laufen. Außerdem scheuerten sie auch noch. Er merkte, daß er das kleine Ballköfferchen vergessen hatte, das
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