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Die Toechter Egalias

Die Toechter Egalias

Titel: Die Toechter Egalias
Autoren: Gerd Brantenberg
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eingestanden zu haben, daß dies ein Problem war. Es war ja nicht Papas Schuld. Petronius hatte alle möglichen Fettkuren ausprobiert. Er konnte noch soviel essen und nahm trotzdem nicht zu. Und dann die Mädchen! Die stellten sich vor dem Schultor auf und riefen ihm im Sprechchor nach: „Bohnenstange! Bohnenstange!“ Auch wenn er sie überhaupt nicht kannte und noch nie mit ihnen geredet hatte. Öfters hatte er Umwege gemacht, um den Mädchenbanden nicht zu begegnen. Die konnten sich schlimme Sachen für einen ausdenken. Und nur zu gern suchten sie sich nicht ganz so wohlgeratene Jungen als Opfer aus. Zum Beispiel so einen wie ihn. Den dickeren Jungen brachten sie mehr Respekt entgegen. In die verliebten sie sich. Petronius dachte an Baldrian. Ja, in solche verliebte dam sich. Und außerdem wuchs er immer weiter. Er war erst fünfzehn, und es bestand die Gefahr, noch weiter zu wachsen. Wenn es in diesem Tempo weiterging — und vor allem in die Höhe statt in die Breite — , war bald alle Hoffnung auf ein Vaterschaftspatronat dahin. Und er würde so einer wie Herrlein Uglemose werden, den alle zum Narren hielten und zwar nicht nur hinter seinem Rücken.
    Papa stand da, dick, rund und schön, und sprach vom PH, vom Einführungsball und vom Spray für den Schambeutel. So als gebe es nichts Schöneres auf der Welt, als sich endlich zurechtmachen zu dürfen. Kunststück, zu glänzen, wenn dam so glänzend aussah wie Papa oder Baldrian!
    Begriff Papa denn wirklich nicht, daß Petronius’ Chancen gleich Null waren — auch wenn er sich für den Einführungsball noch so ausstaffierte, mit türkisfarbenem PH und Tüll? Glaubte er denn wirklich, daß es da auch nur eine gab, die Lust hatte, ihn auf ein Einführungszimmer einzuladen? Am ersten Einführungsball nicht auf ein Einführungszimmer mitgenommen zu werden, war für einen Jüngling die größte Schmach.
    Er schaute sich im Spiegel an. Kämmte ein bißchen seine Haare. Lächelte. Versuchte verschiedene Möglichkeiten. Sah ernst aus. Drehte sich um und bemühte sich zu beurteilen, wie er im Profil aussah. Eigentlich war er ja gar nicht so unansehnlich. An seinem Gesicht gab es nichts auszusetzen. Es war schmal mit ebenmäßigen Zügen. Allerdings eine langweilige Haarfarbe. Doch hatte er gehört, es sehe hübsch aus, wenn sie geflochten seien. Papas Mund hatte er geerbt, einen runden, weichen, etwas nach oben geschwungenen Mund. Die Augen waren zu klein. Das wußte er. Aber sie hatten genau die richtige tiefblaue Farbe. Das hatte Baldrian gesagt. Der hatte so große blaue Gucklöcher. Die Augenbrauen waren jedenfalls schmal, ziemlich schmal und gleichmäßig geschwungen. Wenigstens waren es nicht solche zerzausten Büschel, mit denen Männer vereinzelt geplagt waren. Er lächelte sich noch einmal an. Weiß blitzten seine Zähne. Na ja. Vielleicht hatte er doch eine Chance, trotz allem auf ein Einführungszimmer mitgenommen zu werden.
    Der Gedanke an die Frau, die ihn auf das Einführungszimmer mitnehmen würde, gab ihm neuen Mut. Sie war keine der Frauen, denen er bislang begegnet war. Keine aus der Schule. Keine von der Straße. Keine von irgendwoher. Am besten nicht einmal aus Egalsund, sondern von weit her. Sie glich keiner, die er früher gesehen hatte. Sie war einfach wunderschön und stark und nahm ihn in das Einführungszimmer mit. Hinein in das Geheimnisvolle, fort vom Alltag mit seinen Sorgen und seiner Schmach wegen körperlicher Gebrechen. Sie zog ihn in höhere Gefilde, in geistige Gefilde, wo er keinen Penis hatte, keine Haare auf der Brust oder sonst irgend etwas , was anstößig war. Nur sie und er und eine Welt, die sich in Liebe ergoß und verströmte.
    Petronius stand auf und sah aus dem Fenster. Über dem Egalsunder Schärengarten ging gerade die Sonne unter. Die Farben kämpften gegen die Dunkelheit, wurden stärker. Gleich über den roten Streifen war der Himmel leuchtend grün. Dort würden sie sein. Sie und er. Mitten im Sonnenuntergang und hinunterschauen, dem Horizont zuwinken, in einem Bett aus roten Matratzen mit einem Schleier aus leuchtendgrünem Himmel darüber. Er richtete seinen Blick auf den Fjord und dachte an das weite Meer, das hineinströmte, die ganze Zeit über hineinströmte und nie aufhörte, hineinzuströmen. So würde es mit der Frau und ihm sein. Es würde nie aufhören. Eine geheimnisvolle Verwandlung würde sich in ihm vollziehen. Sie würde ihn verwandeln. Sein Körper würde verwandelt werden, sein Inneres. Eine tiefe,
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