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Die Toechter der Familie Faraday

Die Toechter der Familie Faraday

Titel: Die Toechter der Familie Faraday
Autoren: Monica McInerney
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eine einzige Kartoffel schälen, einen Besen anrühren oder auch nur einen Teller abwaschen.«
    Leo schob die Brille zurück. »Das ist ja schön, Miranda. Du hast also vor, dir einen Sklaven zu halten? Oder willst du etwa jemanden bezahlen? Dann gibt es am Ende der Woche zum Lohn dein berühmtes strahlendes Lächeln?«
    Die anderen kicherten.
    »Ich hab schon meine Pläne«, sagte sie. »So kann ich jedenfalls nicht leben. Du hältst uns doch wie dressierte Äffchen.«
    »Zieh doch aus, wenn’s dir hier nicht gefällt«, sagte Sadie.
    »Kann ich nicht. Ich habe Clementine ein Versprechen gegeben. Und außerdem kann eine Frau, die so aussieht wie ich, nicht einfach frei auf der Straße herumlaufen. Stell dir den Aufruhr vor. Die vielen Auffahrunfälle, wenn Männer auch nur einen Blick auf mich erhaschen. Nein, der Schoß der Familie ist vermutlich der sicherste Ort, bis ich herausfinde, wie ich meine erotische Anziehungskraft tarnen kann.«
    »Das reicht, Miranda. Du weißt, dass deine Mutter derart lose Reden niemals geduldet hätte.«
    Miranda stand abrupt auf. »Entschuldigt mich, mich überkommt der plötzliche Drang nach Frischluft. Können wir eine kurze Pause in dieser so fesselnden Besprechung machen?« Sie schenkte ihrem Vater ein spielerisches Lächeln, doch ihr Tonfall war ernst. »Du musst den Tatsachen ins Auge sehen, Dad, die Tage deiner Diktatur sind gezählt. Das Volk lehnt sich auf. Ein Aufstand steht unmittelbar bevor.«
    Er erwiderte ihr Lächeln nicht. »Wenn deine Mutter das hören würde. Du weißt doch, wie wichtig es ihr war, dass wir alle zusammenhalten.«
    Nur Clementine, die nahe der Tür saß, hörte Mirandas Murmeln. »Aber sie kann mich nicht hören. Und ich bin es leid, immer so zu tun, als ob.«
    Clementine ging wenig später zu ihr hinaus auf die hintere Veranda. Miranda rauchte und gab sich keine Mühe, es zu verheimlichen.
    »Reg dich doch nicht so auf«, sagte Clementine. »Dad tut nur sein Bestes.«
    »Sie ist tot, Clem. Sie ist seit acht Jahren tot, und er akzeptiert es immer noch nicht.«
    »Er vermisst sie eben immer noch.«
    Miranda packte die Wut. »Ich auch. Und du würdest sie auch vermissen, wenn du dich besser an sie erinnern könntest.« Falls Miranda Clementines Gesichtsausdruck sah, ging sie nicht weiter darauf ein. »Wann schließen wir endlich damit ab? Manchmal habe ich das Gefühl, ihm gefällt das. Dass er sich in der Hauptrolle als exzentrischer, tapferer Vater von fünf mutterlosen Mädchen gefällt. Weißt du, wie wir genannt werden? ›Die armen Faraday-Mädchen‹. Das ist mir schon damals auf die Nerven gegangen, gleich nach ihrem Tod, aber heute erst recht. Diese Woche musste ich mir das wieder anhören, in der Drogerie. ›Kein Wunder, dass die Jüngste schwanger geworden ist, so ganz ohne mütterlichen Beistand. Die armen Faraday-Mädchen.‹«
    »Halt den Mund, Miranda.«
    »Ich sage doch nichts gegen dich oder dein Baby, also steig von deinem hohen Ross herab. Ich bin es leid, eines der armen Faraday-Mädchen zu sein, Clem. Weißt du, was ich glaube? Im Grunde freut er sich auf dein Baby. Er hätte doch sowieso am liebsten, wenn wir alle für immer hierbleiben würden, eingesponnen in einen Kokon aus seinen Plänen und Mums Ritualen. Er behandelt ihre Sammelbücher doch wie heilige Reliquien. Spricht von ihr, als wäre sie noch am Leben. Wie gerne würde ich nur ein Mal sagen: ›Nein, Dad, wir sollten uns darauf besinnen, dass Mum tot ist und nicht zurückkommt. Dass sie nicht durch das Medium eines Sammelbuchs voll bunten Papiers zu uns spricht, das sie zwei Tage vor ihrem …«
    »Hör auf, Miranda, sprich nicht so über Mum. Mir bedeuten die Rituale sehr viel. Unser Zusammenhalt. Die Erinnerung an Mum. Und die Bücher sind der einzige Weg, wie mein Baby sie kennenlernen kann. Mir sind sie wichtig.«
    Miranda sagte nichts. Sie sah über das Geländer und führte die Zigarette an ihre Lippen. Die Glut hob sich vor der Dunkelheit des Gartens ab. Einige Minuten lang herrschte Schweigen.
    Miranda war froh, dass ihr Clementine nachgegangen war. Sadie hätte unentwegt geplappert und Miranda daran erinnert, wie schwer sie es selbst gehabt hatte, da sie ihre Mutter damals doch am meisten gebraucht hätte, kurz vor der Pubertät. Eliza hätte Miranda in ihrer besserwisserischen Art eine kalte, egoistische Kuh genannt. Juliet hätte Miranda angefleht, es doch alles einmal von einem anderen Standpunkt aus zu betrachten. Clementine sagte immer nur, was sie zu
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