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Die Toechter der Familie Faraday

Die Toechter der Familie Faraday

Titel: Die Toechter der Familie Faraday
Autoren: Monica McInerney
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so wurde bereits gewarnt, würde hart. Womöglich würde es sogar schneien, und nicht nur auf dem Mount Wellington.
    Juliet griff an die Fensterscheibe, als sie den Kessel nachfüllte. Das Glas war eiskalt. Das Haus der Faradays stand zwar in der Senke eines Hügels, aber immer noch hoch genug, dass man den Mount Wellington vom Fenster aus sehen konnte. Nur die Bäume, die ihr Vater vor Jahren gesetzt hatte, wuchsen immer höher und drohten, die Sicht zu versperren. Juliet musste sich bereits auf die Zehenspitzen stellen, um den glitzernden Frost auf den Autos und den Hecken ringsum zu sehen. Sie schauderte. Dabei erwähnte sie vor ihren Freundinnen gerne, dass der Winter in Hobart, verglichen mit der Kälte in England, ein Witz war. Soweit sie sich erinnern konnte. Denn ihre Erinnerungen waren nicht sehr lebhaft. Sie waren, wie auch ihr britischer Akzent, fast schon verblasst.
    Die Faraday-Familie war zwölf Jahre zuvor geschlossen aus England ausgewandert. An all die Aufregung und das Packen vor der einmonatigen Seepassage von Southampton aus konnte Juliet sich allerdings noch gut erinnern. Leo, ihr Vater, Botaniker mit dem Fachgebiet Eukalyptusplantagen, war von einem tasmanischen Forstunternehmen angeworben worden. Bis zu jenem Tag hatten sie von Tasmanien nicht einmal gehört.
    Das Brot sprang aus dem Toaster. Juliet machte Eliza das Frühstück zurecht und brachte es ihr an den Tisch. Dann kochte sie frischen Tee für die beiden anderen. Sadies und Clementines Tassen warteten bereits. Juliet nahm die Tasse ihres Vaters vom Regal. Sie war hellblau, mit einem Muster aus fröhlichen roten Blumen. Früher hatte ihre Mutter daraus ihren Tee getrunken. Juliet erinnerte sich noch, wie sie dabei stets die Augen geschlossen und gesagt hatte: »Ah, das tut gut.« Dieser Tage benutzte allein Leo die Tasse.
    Die Küchentür flog auf. »Verdammt, Juliet. Guck doch mal auf die Uhr.« Sadie zog sich im Gehen an, ihr Kopf tauchte aus einem orange-rot gestreiften Poncho auf. Ihr Haar, am Vorabend mit seiner krausen Dauerwelle noch der neuesten Mode entsprechend, sah wie ein zerdrückter Heuhaufen aus. Keine der Schwestern sagte etwas dazu. Sadie warf ihren Beutel und ihre Plateaustiefel mit Korkabsatz geräuschvoll in die Ecke, dann ließ sie sich auf einen Stuhl fallen. Sadie war ein ausgesprochener Morgenmuffel. »Warum hast du mich nicht geweckt? Ich hab dir doch gesagt, dass ich in eine Vorlesung muss.«
    »Davon hast du mir nichts gesagt. Willst du Frühstück?«
    »Was gibt’s denn?«
    »Katzenkotze auf Toast, wenn du weiter so mit mir sprichst.«
    »Tut mir leid, Juliet. Ich hätte gerne etwas von deinen Köstlichkeiten. Und danke, dass du dafür so früh aufgestanden bist.« Sadie war achtzehn und im ersten Semester ihres Kunststudiums. Einen Monat zuvor war sie noch im ersten Semester eines naturwissenschaftlichen Studiums gewesen. Sie hatte auch eine Woche auf Lehramt studiert, bevor sie wiederum ihre Meinung geändert hatte. »Schade, dass es kein Diplom fürs Rumbummeln gibt«, hatte Miranda gemeint. »Darin wärst du sicher Jahresbeste.«
    »Wo ist Dad?«, fragte Eliza und ließ sich Tee nachschenken.
    »In Denkland. Den ganzen Morgen schon.« Juliet war um sieben Uhr aufgestanden, und da hatte das Licht im Gartenschuppen, den ihr Vater als Labor für seine Erfindungen nutzte, schon gebrannt. Er verbrachte dort mehr Zeit als bei seinen Bäumen. Juliet wollte ihm noch zehn Minuten gewähren, bevor sie ihn holte.
    Miranda legte die Zeitung beiseite und streckte sich anmutig. Ihr glänzend dunkelrotes Haar fiel ihr über den Rücken. »Wenn ihr mich fragt, hat er uns seine Zuwendung entzogen und sich ganz seinen Reagenzgläsern und Lötkolben zugewandt. Juliet, wenn du gespült hast, rufst du dann das Jugendamt? Schlimm genug, dass wir ohne Mutter aufwachsen mussten, jetzt lässt uns auch noch unser Vater im Stich.«
    »Ich dachte immer, es wäre dir viel lieber, wenn er da draußen beschäftigt ist.«
    »Beschäftigt ist ja schön und gut. Seine Töchter tagelang zu vernachlässigen, ist etwas anderes.«
    Insgeheim war es auch Juliet lieber, wenn Leo seinen Erfindungsrausch hatte. Dann war ihr Leben viel ruhiger. Dann kümmerte es ihn nämlich nicht, ob sie alle ihren Teil zur Hausarbeit beigetragen hatten, dann äußerte er auch kein Missfallen über Mirandas allzu kürze Röcke und ermahnte Sadie auch nicht, dass ihre Musik zu laut war. Dann erinnerte er Eliza nicht daran, dass der Rasen im Vorgarten gemäht
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