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Die Toechter der Familie Faraday

Die Toechter der Familie Faraday

Titel: Die Toechter der Familie Faraday
Autoren: Monica McInerney
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jetzt entscheiden«, sagte Leo. »Außerdem wisst ihr doch, dass ich euch niemals zu etwas überreden würde.« Er sah sie an. »Was gibt’s da zu lachen? Was ist daran so komisch?«
    Am Flughafen von Belfast hatten sie sich alle voneinander verabschiedet. Leo flog nach London. Er brütete eine neue Idee aus, sagte er. Er wollte deswegen ein wenig recherchieren und mit Experten sprechen, ihnen aber nicht sagen, worum es ging.
    »Doch hoffentlich nicht deine Kamera-Idee, oder?«, fragte Miranda.
    Er legte die Hände auf die Ohren. »Erinnere mich bloß nicht daran. Habe ich denn nicht genug Erniedrigung erlitten?«
    Miranda flog zurück nach Griechenland. In der Villa waren weitere Freunde angekommen. Eventuell kam sogar jemand mit einer Yacht. Eine Woche über das Mittelmeer zu segeln, wäre genau die Erholung, die sie nach diesem traumatischen Familienurlaub brauchte, sagte sie.
    Clementine flog zurück nach Tasmanien. Maggie musste ihr etwas versprechen. »Wenn du deine Meinung änderst und nach Hobart kommen möchtest und willst, dass deine Mutter da auf dich wartet, musst du es nur sagen. Meine Pinguine sitzen seit Hunderten von Jahren auf ihrer Scholle, sie werden wohl noch ein paar Hundert Jahre da bleiben.«
    »Ich dachte, gerade nicht. Ist es denn nicht Ziel deiner Forschung herauszufinden, ob sie vom Aussterben bedroht sind?«
    Clementine hatte nur gelächelt. »Es ist mir ernst, Maggie. Ich bin da, wenn du willst.«
    Maggie dachte ernsthaft darüber nach. Es wäre ein Kontrast zu den Menschenmengen, dem Smog, der Hitze und Intensität von New York. Die saubere Luft, die Berge, das Meer und der Frieden von Hobart. Sie könnte Wanderungen unternehmen, all die Bücher lesen, die sie seit Jahren schon lesen wollte. Sie könnte Schulfreunde treffen. Oder sich einfach nur mit Clementine eine ruhige Zeit machen. Das klang am verlockendsten.
    Sie versuchte, sich mit allen Mitteln abzulenken, sich auf ihre Familie und Hobart zu konzentrieren, aber es gelang ihr nicht gut. In Gedanken kehrte sie immer zu einem Thema zurück, einer Person: Gabriel.
    Warum hatte er seine Freundin niemals erwähnt? Warum hatte er sie gefragt, wann sie wieder nach New York kam? Und warum hatte er sie geküsst? Ein Satz, der bei seinem Streit mit Miranda gefallen war, kam ihr immer wieder in den Sinn: »Ich hatte gehofft, das mit euch beiden weiterlaufen lassen zu können.« Meinte er das ernst? Hatte er wirklich geglaubt, sie – oder diese Susanna – würde sich auf so etwas einlassen? Oder wollte er sich bloß aus Höflichkeit mit ihr treffen, um sich noch einmal zu entschuldigen? Das war am wahrscheinlichsten. Er hielt es wohl für angebracht, sich mit ihr auf einen Kaffee zu verabreden, nach allem, was passiert war. Das wäre schön, dachte Maggie.
    Nein, wäre es nicht. Das wäre schrecklich. Zu hart. Sie wollte nicht nur schnell einen Kaffee mit ihm trinken, in dem Wissen, dass er danach seine Susanna traf. Sie wollte ihn nicht sehen bei dem Gedanken, dass er von Susanna kam. Sie wollte diese Susanna auch nicht kennenlernen. Sie wollte Gabriel auch auf keinen Fall mit Susanna zusammen sehen. Schon der Name war albern.
    Sie könnte ja zuerst anrufen. Den Umgangston bestimmen. Ein oder zwei Tage nach ihrer Rückkehr. Sie müsste ihn in der Agentur anrufen, denn sie hatte nicht einmal seine private Telefonnummer. Umso besser. Nicht so persönlich. Sie würde ihn anrufen und eine Nachricht hinterlassen, ihm sagen, dass sie wieder da war, hoffte, dass es ihm gut ginge, und sie beide sich ja irgendwann auf einen Kaffee treffen könnten. Perfekt. Freundlich und unverfänglich.
    Das war Blödsinn. Sie konnte ihn nicht anrufen. Sie konnte nicht einfach nur eine Bekannte sein, eine gute Freundin. Sie musste sich von ihm fernhalten. Von ihm und seiner Susanna. Damit die beiden bis an ihr Lebensende glücklich sein konnten. Während sie selbst? Noch eine Weile in New York blieb? Zurück nach London ging? Wieder nach Hobart zog? Na also, sagte sie energisch zu sich selbst. Möglichkeiten genug. Und keine davon sah Gabriel vor.

    Als Maggie den Flughafen verließ und sich bei der Wartereihe am Taxistand anstellte, ging die Sonne gerade unter. Die Luft war schwül, über der Stadt hing eine Dunstglocke. Auf dem Weg nach Manhattan schaute Maggie mit ganz anderen Augen auf die Wolkenkratzer. Beim letzten Mal, als sie diese Fahrt gemacht hatte, war sie gerade aus London gekommen, aufgewühlt, unsicher und verängstigt. Diesmal war vieles anders.
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