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Die Todespfeiler

Die Todespfeiler

Titel: Die Todespfeiler
Autoren: Hans Kneifel
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taumelte hangabwärts, und bei jeder Erschütterung, die ein weiterer Schritt durch seinen Körper jagte, kehrte bruchstückweise sein klares Bewußtsein zurück.
    Mythor!
    Sadagar!
    An diese Namen erinnerte er sich und daran, daß, während sie flüchteten, die wahnsinnserzeugende Stimme leiser und leiser wurde. Sadagar, ein Steinmann wie er selbst! Was hatte das zu bedeuten? Vor seinen Ohren drehte sich die wirkliche Welt wie rasend, und in seinem Inneren erfolgte der ständige, unverständliche Wechsel der Bilder und Worte noch viel schneller.
    Eine bekannte Stimme sagte drängend:
    »Komm zu dir! Reiß dich zusammen! Der Wahnsinn hört in wenigen Augenblicken auf!«
    Odams Stimme.
    Necron fühlte sich geborgen im Schutz von einer Masse Leiber, die um ihn herum waren und stützten, wenn er stolperte. Er sah eine sandige Straße, unzählige Mauern, einen verirrten Sonnenstrahl und die Schwärze moderiger Torbögen. Seine Füße arbeiteten, gehorchten ihm aber nicht. Hinter ihnen blieben die Stürmer zurück, die wieder in ihren lethargischen Zustand zurückfielen. Das dröhnende Lärmen wurde leiser und hörte schließlich auf. Necron öffnete zum erstenmal bewußt seine Augen und ertappte sich dabei, wie er seine Leute zählte.
    Sie waren vollständig, aber die Spuren der Kämpfe sah er deutlich.
    Die Stürmer zogen sich wie kranke Tiere in ihre Verstecke zurück. Necron glaubte zu wissen, daß sie in der nächsten Strahlung des Wahnsinns die Rebellion oder wenigstens den Widerstand gegen die Lauscher fortsetzen würden.
    Die Männer aus Logghard, zuverlässig durch die Stürmer geschützt, deren Zahl immer geringer wurde, erreichten die Guinhan und betraten das Schiff über die schwankenden Laufplanken.
    Der Wahnsinn hatte aufgehört. Eine vage, unechte Abendstimmung legte sich über den Hafen. Die Guinhan war leer; alle Männer hatten sie verlassen. Nicht alle Männer, denn ihrer vier tauchten, als sie die vertrauten Stimmen hörten, aus den Verstecken im Schiff auf.
    »Sie haben alle weggebracht, gefangen…«
    »Sie wurden verrückt, wahnsinnig…«
    »Die Stürmer haben sie gepackt und weggeschleppt…«
    So lauteten die verwirrten Erklärungen. Es dauerte mehrere Stunden, bis die Loggharder das gesamte Ausmaß des Schreckens und der Verluste begriffen. Die Hälfte der Mannschaft würde am nächsten Morgen in den Opferbooten der Strömung überantwortet werden.
    Und die Stunde, in der Luxon und Necron die Blicke ihrer Augen tauschen würden, stand kurz bevor.

4.
    Möglicherweise hatten die Lauscher dafür gesorgt, daß die Besatzung der Guinhan dem Wahnsinn verfiel; vielleicht waren es Stürmer gewesen, die ihnen das Wachs aus den Ohren gerissen hatten. Die vier Loggharder, die sich aus ihren Verstecken herauswagten, konnten nur von einem furchtbaren Kampf berichten, während dem einer nach dem anderen über Bord sprang und spurlos verschwand.
    »In dieser Nacht wird kaum jemand von uns schlafen«, versicherte Necron voll eiskalter Wut. »Wir holen uns die Verschleppten wieder.«
    »Siebzehn Männer?« fragte Odam zweifelnd. Sie saßen unter Deck und stärkten sich. Necron schrieb die Seiten des Logbuchs. Er berichtete, während er schrieb, was er durch den Helm des Lauschers gehört und verstanden hatte.
    »Ein Steuermann und sechzehn Ruderer!« gab er zurück. »Wir fangen die Opferboote ab, bevor wir alle in die Strömung gerissen werden.«
    »Ich habe wenig Hoffnung, daß wir es schaffen«, meinte derjenige, der seinen Kopf mit kalten nassen Tüchern kühlte.
    Nur ein Drittel der Männer schlief jeweils. Sie legten die Riemen zurecht und holten den Anker probeweise hoch. Verschiedene Kommandos wurden abgesprochen. An Deck legte man Leinen zurecht, dickere und solche, die man an Pfeilen befestigte. Das Schiff war startfertig, als der Morgen graute und die Loggharder das Klirren der Ketten hörten, in denen die Opfer der letzten Wahnsinnsperiode in die Boote getrieben wurden. Der Anker wurde an Bord gebracht, dann löste man die Leinen des Achterschiffs von den Pollern und zog sie ein. Mit Stangen schoben sie die Guinhan vom Kai weg, rannten in den Ruderraum und schoben die Riemen durch die Öffnungen. Acht Ruderer auf jeder Seite des Schiffes keuchten und stöhnten und gaben sich selbst den Takt an.
    Langsam nahm die Guinhan Fahrt auf.
    Sie steuerte auf die Lücke zwischen den Feuertürmen zu und erreichten sie fast gleichzeitig mit dem Ruderboot der Lauscher. Drei volle Opferboote schleppten die
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