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Die Todespfeiler

Die Todespfeiler

Titel: Die Todespfeiler
Autoren: Hans Kneifel
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Palasts.
    Der Hof bestand aus einer vier Mannslängen hohen Mauer aus denselben Bruchsteinquadern, aus denen auch die anderen Türme errichtet waren. An der Außenseite der Mauer, die aus schräg angeschüttetem Boden war, standen mehr als ein Dutzend ungewöhnlich großer Steintrichter, alle ihre Öffnungen nach der Schattenzone ausgerichtet. Odam blieb kurz stehen und machte einige Schritte auf einen Torbogen zu, hinter dem er die Bäume des Wäldchens und die Mauern der nächsten Häuser sehen konnte.
    Er winkte Necron, der eben eine Wurfschlinge zurückschleuderte und mit ihr drei Männer zu Fall brachte. Sie fielen schreiend übereinander und versperrten den nachdrückenden Stürmern den Weg.
    »Wir kommen!« rief Necron.
    Er und seine Männer, zwischen denen die Schlackenhelmkrieger fochten, zogen sich in den ummauerten Bereich zurück, aus dem sie einen schnellen Weg in die Gassen der Stadt hatten. Zu spät merkte Necron, daß im Innern der runden Mauer dicke Rohrenden aus wuchtigen Steinen hervorragten. Sie sahen wie Wasserabläufe aus – aber sie hatten eine ganz andere, furchtbare Bedeutung.
    »Eine Falle«, stöhnte Necron auf, als er den sandigen Boden dieser seltsamen Arena berührte. Er begann zu taumeln, weil sich seine Sinne verwirrten. Eine unbändige Zerstörungswut packte ihn. Er bückte sich, suchte kleine Steine unter dem Sand und schleuderte sie ziellos nach allen Richtungen. Ein winziger Teil seines Verstands arbeitete noch so wie immer, aber der Wahnsinn machte sich in den Männern breit, die nacheinander die Arena betraten. Ein Lauscher wagte sich zu weit nach vorn und wurde von den drängenden Stürmern über die Kante der Brücke gedrängt. Er fiel, sich überschlagend, in den Sand. Sein Helm flog von seinem Kopf, rollte einige Mannslängen weit und blieb genau vor Necron liegen, der inzwischen eine schreckliche Entdeckung gemacht hatte:
    Die Wahnsinnsschreie, die von den steinernen Ohren aufgefangen wurden, wurden im Gestein gebündelt und verstärkt und durch die runden Öffnungen in den Hof abgestrahlt. Hier bohrten sie sich mit unwiderstehlicher Gewalt in die Gedanken, Empfindungen und Gefühle der Fremden. Jeder, der in den Bereich der sich kreuzenden Emissionen geriet, verlor den letzten Rest seiner Beherrschung. Und da half das Wachs nicht, die Schlackenhelme und der DRAGOMAE-Stein waren ebenso wirkungslos als Schutz vor dem Wahnsinn, der mit eisigen Fingern nach den Hirnen der Krieger griff.
    Aber… da gab es dennoch einen Schutz.
    Er war nicht groß, aber er genügte. Die Erfahrung der Männer ließ sie in entscheidenden Augenblicken richtig handeln, unabhängig von dem schieren, verdichteten Wahnsinn. Sie kämpften gegen die Stürmer und merkten nicht, daß mindestens einer von denen ihnen half. Sie schlugen die wenigen Lauscher nieder, ohne daß sie genau wußten, wen sie da bekämpften. Sie arbeiteten sich, ohne zu sehen, Schritt um Schritt auf einen der Ausgänge zu, vor dem Prinz Odam stand und seinen schweren Axtstiel wie seinen Bidenhänder handhabte.
    Die Fremden merkten auch nicht, daß eine große Gruppe Lauscher, angeführt von Kezarim, in diese kleine Arena eindrang. Necron wurden die Füße unter dem Körper weggerissen; er setzte sich schwer in den grauen Sand und spürte nicht, wie sein Helm sich löste. Doch! Ein winziger Teil seines Verstands merkte es, griff nach dem Helm und setzte ihn ungeschickt auf, während der Wahnsinn seinen Geist folterte.
    Er lag halb ausgestreckt, halb zusammengekrümmt am Boden, hielt seinen Helm fest und erkannte nicht, daß rund um seinen Körper der Kampf weitertobte.
    Er sah nicht, daß Kermon, der Anführer der Stürmer, plötzlich zwischen den Mauern auftauchte.
    Necron hatte die Vision wispernder Stille.
    Sein Verstand schien sich von seinem Körper gelöst zu haben. Jeder Vorgang lief ab, ohne daß er ihn beherrschen konnte. Die Dinge geschahen rund um ihn und mit ihm; er hatte nicht den geringsten Einfluß darauf.
    Stille. Dann wisperten, murmelten und schrien ferne Stimmen.
    Schickt uns Rekruten. Laßt sie mit der Strömung treiben. Mehr und mehr – es sind noch lange nicht genug.
    Necron wußte nicht, daß er statt seines eigenen Helmes mit dem eingeklebten DRAGOMAE-Baustein einen ganz anderen Helm aufgesetzt hatte und ihn in schutzsuchender Geste über dem Kopf festhielt.
    Es war der Helm eines Lauschers!
    Das, was Necron hörte, waren nur einzelne Worte oder Begriffe. Sein verwirrter Verstand suchte sie aus der Masse der
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