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Die Todesgruft von Bally Moran

Die Todesgruft von Bally Moran

Titel: Die Todesgruft von Bally Moran
Autoren: Helen Nuelle
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sich kaum Mühe, ihre Schritte zu beschleunigen.
    Und sie hatte recht. Sie sahen nichts als graue Steinmauern, als sie sich dem Schloß näherten. Der Professor und Mrs. Mullins waren indessen zur rechten Ecke des Gebäudes vorausgeeilt und warteten dort auf sie. Der Eingang befand sich auf der rechten Seite nur wenige Schritte von der Ecke entfernt. Bis auf die spärlichen Steinmetzarbeiten im Mauerwerk rundherum war es eine bescheidene, wenig beeindruckende Tür.
    »Professor, Sie haben den Damen hoffentlich schon Tee angeboten, damit sie für die Besichtigung gerüstet sind?« fragte Mrs. Mullins fast ein wenig herausfordernd.
    »Nein, aber wir haben etwas Kaffee im Auto... «, begann Jesse, wurde jedoch von Mrs. Mullins unterbrochen.
    »Na, das nenne ich mal einen aufmerksamen Gastgeber!« empörte sich Mrs. Mullins und bedachte den Professor mit mißbilligenden Blicken. »Ein Tee macht doch keine Arbeit.«
    Peggy verstand nicht, warum Mrs. Mullins deshalb einen solchen Wind machte. Peggy wollte endlich das Schloß sehen, der Disput der beiden interessierte sie nicht. Aber als sie zu Jesse blickte, sah sie, daß diese ein Lächeln unterdrückte. Merkwürdigerweise las Jesse aus jeder Situation immer mehr heraus als sie selbst. Sie konnten beide ein und derselben Unterhaltung zuhören, und hinterher mußte Peggy erfahren, daß Jesse kleine Bemerkungen oder Untertöne aufgeschnappt hatte, die Peggy entgangen waren. Im Augenblick hatte sie offenbar auch etwas verpaßt, und so starrte sie nur verständnislos auf die aufgebrachte Mrs. Mullins und den mürrisch dreinblickenden Professor. Aber dann kam es ihr endlich, daß es bei der ganzen Sache weniger um den Tee ging. Mrs. Mullins hatte nur eine günstige Gelegenheit aufgefangen, um den Professor zu kritisieren und zu bevormunden. Wozu? fragte sich Peggy, mußte dann aber doch lachen, als Mrs. Mullins herablassend bemerkte: »Aber was red ich, man kann von einem Junggesellen nicht solche Dinge erwarten.«
    »Müssen wir eigentlich noch lange hier draußen stehen?« nörgelte der Professor, und Mrs. Mullins beförderte endlich den riesigen Schlüssel zutage und schloß auf. Peggy blieb in schweigender Bewunderung stehen. Hier, in der großen Schloßhalle, fühlte sie sich sofort vier oder fünf Jahrhunderte in die Vergangenheit zurückversetzt. Die Halle war zwei Stockwerke hoch. Von dem oberen konnte man von einer durch eine breite Wand unterbrochenen Galerie in die Halle hinunterblicken. Und Peggy stellte sich vor, wie einst Männer in Kettenhemden über den grauen Steinboden gelaufen waren und sich zur Jagd oder einem Turnier gerüstet hatten. Die Wandteppiche hatten sicher auch damals die kahlen Mauern geschmückt, und sie sah im Geiste Diener und Mägde durch die Halle huschen und Fleiß vortäuschen, solange das Auge des Herrn sie sehen konnte.
    »Die Halle ist einundzwanzig Meter lang.« Mrs. Mullins’ eifrige Stimme durchbrach den Zauber. »Und hier zur Linken ist ein Raum, den Ihr Onkel genauso gelassen hat, wie er ihn vorgefunden hat. Er ist prächtig. Die Halle ließ er kahl, weil... «
    »Haben Sie denn gar kein Einfühlungsvermögen?« fuhr der Professor sie an. »Wenn die jungen Damen etwas wissen wollen, werden sie schon fragen.«
    Der Professor hatte Peggys Verzauberung gespürt, aber nun war das vorbei, und sie betrat gehorsam das bewunderte Zimmer.
    Die Räume glichen kleinen Sälen; es gab nur vier im Erdgeschoß. Da war die Halle: Wände und Boden aus Stein, die Decke aus solidem Eichenholz, wie auch das Geländer der Galerie, zu der von beiden Seiten eine ausgetretene Wendeltreppe hinaufführte. Durch eine bogenförmige Türöffnung trat man auf der linken Seite der Halle in den Wohnraum, der Mrs. Mullins offenbar so gut gefiel. Er war mit schweren, prunkvollen Möbeln im viktorianischen Stil eingerichtet, und selbst die Petroleumlampen, die überall auf Tischen und Kommoden standen, paßten dazu. Weiter im Hintergrund, ebenfalls auf der linken Seite der Halle, gab es verdeckt von einem kunstvoll gemeißelten Mauervorsprung eine weitere Tür. Sie führte zu der modern ausgestatteten Küche, und hinter der Küche lag die Vorratskammer, der kleinste Raum im Erdgeschoß.
    Sie stiegen gerade eine der Wendeltreppen hinauf, als Jesse nach Peggys Hand griff. Ihre Finger waren eiskalt. Und Peggy, die vor Bewunderung für das alte Schloß alles andere vergessen hatte, blickte zum erstenmal bewußt auf ihre Schwägerin. Sie erschrak, als sie deren blasses,
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