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Die Todesbotschaft

Die Todesbotschaft

Titel: Die Todesbotschaft
Autoren: Sabine Kornbichler
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mit diesen Leuten ablehne, sei nicht auszuschließen, dass sie irgendwann versuchen würden, über Familienmitglieder an ihn heranzukommen. Ich hielt das eher für eine berufsbedingte Paranoia.
    »Ich bin Wirtschaftsjournalist und kein Enthüllungsjournalist«, betonte Richard Stahmer. »Außerdem gibt es günstigere Möglichkeiten, an Informationen zu gelangen, als ein Bild in Auftrag zu geben.«
    Wieder nahm er meine Skizze zur Hand und betrachtete sie eine Weile, bis er zu mir aufsah. »Was hätten Sie getan, wenn es Ihnen nicht gelungen wäre, sich mit Ihren Bildern durchzusetzen?«
    »Ich hätte mich darauf konzentriert, Kunst zu unterrichten. Haben Sie eine Ahnung, wie leicht sich die Kreativität von Kindern zuschütten lässt mit so blödsinnigen Vorgaben, wie nach landläufiger Meinung eine Zitrone auszusehen hat oder ein Esel? Dabei ist es so wichtig, sie experimentieren und ihre eigene Ausdrucksform finden zu lassen.«
    »Hat man Ihnen diese Freiheit gelassen?«, fragte er.
    Ich musste nicht lange über eine Antwort nachdenken und nickte. »Ja.« Dass es eher aus Desinteresse denn aus Überzeugung geschehen war, verschwieg ich. Meine Eltern hatten mit meinen Ambitionen nichts anzufangen gewusst. Nur Elly, meine Kinderfrau, hatte dafür gesorgt, dass ich alle Utensilien bekam, um malen zu können.
    Er stand auf und legte die Skizze auf den Tisch. »Mögen Sie auch einen Kaffee?«
    »Gerne.« Als ich ihn gleich darauf in der Küche hantieren hörte, kramte ich eine Zigarette aus meiner Tasche und trat hinaus auf den kleinen Balkon. Während ich den Rauch inhalierte, wanderte mein Blick über die Fassaden des Innenhofes, die bisher noch nicht saniert worden waren und sich dadurch einen morbiden Charme bewahrt hatten. Ich blinzelte gegen die Sonne an, der auch an diesem Vormittag keine einzige Wolke am Himmel Gesellschaft leistete. Es war erst halb elf, aber bereits so warm, dass es nicht mehr lange dauern würde, bis der Asphalt auf den Straßen glühte.
    Nachdem ich mich vergewissert hatte, dass Richard Stahmer noch in der Küche war, spiegelte ich mich einen Moment lang in der Scheibe der Balkontür. Ich hatte meine Haare zu Zöpfen geflochten, trug ein weißes Blusentop zu einer schwarzen Caprihose und lilafarbene Ballerinas. Dieses Outfit war das Ergebnis von fast zehnminütiger Unschlüssigkeit. Normalerweise griff ich mir etwas aus dem Schrank und verließ mich darauf, dass es passte. An diesem Morgen hatte jedoch einfach nichts passen wollen. Ich schnitt mir selbst eine Grimasse und fragte mich im selben Moment, worauf die Arbeit bei Richard Stahmer hinauslaufen würde.
    »Hier … bitte.«
    Ich hatte ihn nicht kommen hören und fühlte mich unsinnigerweise ertappt. Zum Glück wurde ich nicht auch noch rot.
    In jeder Hand einen Becher blieb er im Rahmen der Balkontür stehen. Einen Moment lang sah er mich regungslos an, dann kam er zwei Schritte näher und reichte mir einen der Becher.
    »Danke.« Ich versuchte, an dem Kaffee zu nippen, aber er war noch zu heiß. »Wie lange wohnen Sie schon hier?«, fragte ich.
    »Ewigkeiten.« Er rechnete nach. »Acht Jahre.«
    »Unsere Wohnungen sind gar nicht so weit voneinander entfernt«, meinte ich, »und trotzdem sind wir uns noch nie über den Weg gelaufen.«
    Sein Lachen wirkte fröhlich, fast übermütig. »Vielleicht sind wir das und haben es nur nicht bemerkt.«
    Ich sah ihm in die Augen. Diese bernsteinfarbenen Sprenkel gab es darin tatsächlich. Und sie hatten die Kraft, mich in ihren Bann zu ziehen. Ich wandte mich ab und gab vor, das Graffiti an einer der Hauswände in Augenschein zu nehmen.
    Von einer Sekunde auf die andere wurde er wieder ernst, als er mich fragte, ob ich mir des Risikos bewusst sei, auf das ich mich bei meiner Arbeit einließe.
    »Weil ich zu fremden Menschen in ihre Wohnungen gehe?« Ich schüttelte den Kopf. »Bisher hat es nicht einmal den Hauch einer brenzligen Situation gegeben.«
    »Das macht das Ganze nicht ungefährlicher.«
    »Haben Sie vor, mir etwas anzutun?«
    »Womit bekäme ich es dann zu tun? Mit Judo, Pfefferspray oder mit Ihrem Vater?«
    Ich nahm einen Schluck Kaffee. »Sie haben die Wahl.«
    »Sie beherrschen tatsächlich Judo?«
    »Beherrschen ist ein bisschen hoch gegriffen, aber ich kann mich ganz gut selbst verteidigen.« Da es mir in der Sonne zu heiß wurde, schlug ich vor, wieder hineinzugehen. Während ich mir einen der Esszimmerstühle heranzog, stapelte er ein paar Bildbände aufeinander und setzte sich
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