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Die Todesbotschaft

Die Todesbotschaft

Titel: Die Todesbotschaft
Autoren: Sabine Kornbichler
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hoffe, Sie mögen es.«
    Cherry Mania war neben Mango meine Lieblingssorte. Mit einem Lächeln nahm ich die Waffel entgegen und betrachtete den Mann, der sich neben mir niederließ, etwas genauer. Er trug Jeans und T-Shirt, war gut einen Kopf größer als ich, kräftig gebaut und sonnengebräunt. Seine blonden Haare waren streichholzkurz geschnitten, die untere Gesichtshälfte von einem Dreitagebart überzogen und seine Augen hinter einer Sonnenbrille verborgen. Leider nicht einmal annäherungsweise in Form eines Schmetterlings.
    »Meine Augen sind blau mit bernsteinfarbenen Sprenkeln. Und Ihre?«
    »Braun. Ohne Sprenkel.«
    »Und was haben Sie da gerade gehört?« Mit dem Eislöffel zeigte er auf den iPod.
    »Coldplay. Zufrieden?«
    Er lachte. »Erst wenn ich Ihre Telefonnummer bekommen habe.«
    Ich ließ einen Moment verstreichen, bevor ich darauf einging. »Wenn ich mich nicht täusche, haben Sie die bereits. Sie sind doch Richard Stahmer, oder etwa nicht?«
    Er lehnte sich zurück, legte lachend den Kopf in den Nacken und sah gleich darauf wieder zu mir. »Was hat mich verraten?«
    »Ihre Stimme. Genauer gesagt dieser Hauch eines norddeutschen Dialekts.« Ich biss ein Stück von der Waffel ab.
    »Und ich dachte, den hätte ich längst abgelegt.«
    »Sie dachten auch, ich stünde auf türkisfarbene Schmetterlingsbrillen.«
    Er schüttelte den Kopf. »Eigentlich war es eher der Versuch, Sie neugierig zu machen. Und allem Anschein nach ist mir das gelungen.«
    »Wie haben Sie mich erkannt?«, fragte ich.
    »Das Foto auf Ihrer Homepage.« Er beugte sich vor, stützte die Ellbogen auf die Knie und sein Kinn auf die gefalteten Hände. »Was muss ich tun, um Sie für meine Wand zu begeistern?«
    »Abwarten«, antwortete ich. Das leichte Bedauern, das ich dabei empfand, versuchte ich, aus meinem Tonfall herauszuhalten.
    »Das geht nicht. Ein halbes Jahr ist viel zu lang.«
    »Und ich habe Zusagen gegeben, die ich erst einmal erfüllen muss. Außerdem habe ich gerade Urlaub.«
    »Fahren Sie weg?«
    Kaum hatte ich nein gesagt, wusste ich, dass es besser gewesen wäre zu flunkern.
    »Wunderbar!« Er setzte sich wieder aufrecht hin. »Ich mache Ihnen einen Vorschlag. Sie kommen nächste Woche bei mir vorbei, werfen einen ausgiebigen Blick auf meine Wand und lassen sich von ihr inspirieren.« Anstatt weiterzureden sah er mich an, als habe er die Relativitätstheorie widerlegt und könne deshalb mit Fug und Recht auf meinen Begeisterungssturm zählen. Als der ausblieb, legte er nach. »Oder ich lade Sie am Montag zum Frühstück zu mir ein, Sie bringen ganz unverbindlich Ihre Farben mit und …«
    Er stockte. »Sie sind ein harter Brocken, Finja Benthien, habe ich recht?«
    Ich nickte.
    »Möchten Sie noch ein Eis? Oder soll ich mir tatsächlich so eine Sonnenbrille kaufen, um Ihnen zu beweisen, wie sehr ich mir ein Bild von Ihnen wünsche?«
    »Wenn Sie es sich so sehr wünschen, warum können Sie dann nicht darauf warten?«
    Während er in den Himmel sah, atmete er tief durch. »Wegen des Lichts. In einem halben Jahr wird es ein völlig anderes sein.«
     
    Konzentriert zeichnete ich mit dem Bleistift Planquadrate auf Richard Stahmers drei Meter fünfzig hohe Esszimmerwand. Diese Einteilungen würden mir später helfen, die Skizze, die er ausgesucht hatte, auf die große Fläche zu übertragen.
    Noch in der Eisdiele hatte ich ihm spontan zugesagt. Der Frage, welcher Teufel mich dabei geritten hatte, wollte ich lieber nicht so genau auf den Grund gehen. Im Augenblick zählte nur, dass ich es bisher keine Sekunde lang bereut hatte, meine geplante Auszeit kurzerhand halbiert zu haben. Und das lag sicher nur vordergründig an der Atmosphäre dieses lichtdurchfluteten, minimalistisch eingerichteten Raumes, der Teil einer Kreuzberger Wohnung war – ungefähr einen Kilometer Luftlinie von meiner entfernt.
    Dominiert wurde das Zimmer von einem antiken Refektoriumstisch, an dem locker zehn Leute essen konnten. Allerdings hätte Richard Stahmer dann für die Bücher und Zeitschriften, die sich darauf stapelten, einen anderen Platz finden müssen.
    Bevor ich mit meiner Arbeit begonnen hatte, hatte ich einen schnellen Blick auf die Bücher geworfen, eine bunte Mischung aus Klassikern, zeitgenössischer Literatur, Bildbänden und Kunstausstellungskatalogen. Er hatte meinen Blick bemerkt und mir erklärt, seine Bücherregale im Arbeitszimmer würden aus allen Nähten platzen und der Tisch diene quasi als Ausweichquartier, bis er ein
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