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Die Todesbotschaft

Die Todesbotschaft

Titel: Die Todesbotschaft
Autoren: Sabine Kornbichler
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Vielleicht ist es eine Berufskrankheit, mag sein, aber ich bin einfach neugierig. Leben Sie allein?«
    »Und Sie?«
    Er atmete hörbar aus. »Wie gut, dass wir das geklärt haben. Haben Sie eine Idee, wie es jetzt weitergeht?«
    Unruhig rutschte ich auf meinem Stuhl herum. Schließlich stand ich auf. »Mir ist klar, dass dies der völlig falsche Moment ist, aber …« Ich schluckte. »Ich muss mal.«
     
    »Das hast du tatsächlich gesagt?«, fragte meine Freundin wenige Stunden später, während sie sich mit einem Fächer Luft zufächelte. »Ich muss mal??« Eva-Marias Augen waren hinter einer Sonnenbrille verborgen, das Zucken ihrer Lippen sprach jedoch Bände.
    Wir saßen im Schatten eines Baumes in einer kleinen, verborgenen Bucht an der Krummen Lanke. Das Ufer des Sees war an diesem heißen Spätnachmittag immer noch so stark frequentiert, dass unser abgeschiedener Platz einem Glücksfall gleichkam. Das laute Stimmengewirr hielt sich hier im Hintergrund. Als Eva-Maria einen glucksenden Laut von sich gab, war es um mich geschehen, und ich prustete los.
    »Wie hat er reagiert?«, fragte sie, als wir uns beide wieder gefangen hatten.
    »Na wie wohl? Er hat mir den Weg beschrieben. Als ich von der Toilette zurückkam, hat er zum Glück telefoniert.« Mit vorsichtigen Bewegungen vertrieb ich eine Wespe, die vor meinem Gesicht herumschwirrte. »Irgendwie ist mir dieser Mann ein Rätsel. Zeitweise hatte ich das Gefühl, er flirtet mit mir. Und dann wieder wirkte er eher verschlossen.«
    »Vielleicht hat ihn sein Interesse an dir selbst überrascht. Sollte er eine Freundin haben, würde das sein zwiespältiges Verhalten erklären.«
    Ich zog die Knie an und legte das Kinn darauf. »So etwas ist mir lange nicht mehr passiert«, meinte ich versonnen. »Er hat irgendetwas, das mich …«
    »Anmacht?«
    »Das auch«, antwortete ich lachend.
    Eva-Maria ließ sich auf ihre Decke zurückfallen und streckte die Beine aus. »Beneidenswert.« Ihr Seufzer sprach Bände. Ihre letzte Beziehung lag zwei Jahre zurück.
    Meine war vor einem halben Jahr in die Brüche gegangen, da ich ständig das Gefühl gehabt hatte, das Tempo drosseln zu müssen, während es ihm nicht schnell genug hatte gehen können. Als wir uns trennten, waren wir beide erleichtert gewesen.
    Ich verscheuchte diese Erinnerung und betrachtete Eva-Maria. Ihr perlmuttfarbenes Lipgloss passte wunderbar zu den mit Henna gefärbten kurzen Locken und ihrer elfenbeinfarbenen Haut – dem Ergebnis konsequenter Aufenthalte im Schatten. Sie war Mitte vierzig und der festen Überzeugung, in ihrem Alter jedes Sonnenbad mit unzähligen Runzeln bezahlen zu müssen. Außerdem falle es ihr leichter, auf ein Sonnenbad als auf Schokolade zu verzichten. Wenn sie sich schon mit Größe vierzig abfinden müsse, wolle sie dieses Schlankheitsdefizit wenigstens mit vornehmer Blässe ausgleichen. Das war Eva-Marias unverwechselbare Art, mit ihrer Attraktivität zu kokettieren.
    Als wir uns vor acht Jahren kennenlernten, gehörte sie längst zu den Gutverdienern unter den Restauratoren, während ich gerade am Anfang meiner künstlerischen Karriere stand. Nachdem sie eines meiner Bilder in einer kleinen Berliner Galerie entdeckt hatte, hatte sie mich angerufen und damit beauftragt, eine Wand ihres Arbeitszimmers zu bemalen. Während meiner mehrwöchigen Arbeit in ihrer Wohnung hatten wir uns angefreundet.
    Ich zupfte ein paar Grashalme aus und ließ sie auf meine nackten Füße rieseln. »Weißt du noch, als ich damals das Bild für dich gemalt habe? Du hast mich tagelang beobachtet. Dabei hast du immer so getan, als würdest du dich völlig auf deine Arbeit konzentrieren, hast schnell weggesehen, wenn ich mich umgedreht habe. Irgendetwas an der Art von diesem Richard Stahmer hat mich heute daran erinnert.«
    Sie setzte sich auf und zog die Brauen zusammen, so dass über der Nasenwurzel eine Falte entstand.
    »Nein, nicht was du jetzt denkst«, winkte ich ab. »Der hat mich nicht heimlich beobachtet. Das war schon alles ganz offen. Aber genau wie bei dir hatte ich das Gefühl, dass er etwas über mich herausfinden wollte.«
    »Ich wollte damals einfach wissen, wen ich da in meine vier Wände lasse. Ich kannte dich schließlich nicht. Vielleicht ist er auch einfach nur vorsichtig.«
    Unschlüssig hob ich die Schultern und ließ sie wieder fallen. »Ich hatte nicht das Gefühl, dass es ihm darum ging. Er machte sich eher Sorgen um mich. Er meinte, ich würde bei meiner Arbeit ein ziemliches
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