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Die Todesbotschaft

Die Todesbotschaft

Titel: Die Todesbotschaft
Autoren: Sabine Kornbichler
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Finja, endlich! Es ist so entsetzlich. Es …« Das Schluchzen hinderte sie daran weiterzusprechen.
    Nach diesem Kaltstart machte mein Kreislauf schlapp. Ich ließ mich in den Sitzsack fallen und versuchte, gleichmäßig ein- und auszuatmen und mich gleichzeitig auf die Geräusche zu konzentrieren, die durchs Telefon zu mir drangen. Ich konnte mich nicht erinnern, wann Amelie zuletzt so geweint hatte. »Was ist so entsetzlich?«, fragte ich mit einem bangen Gefühl. Meine Schwester neigte nicht zu Übertreibungen.
    »Es geht um Hubert und Cornelia.« Sie schneuzte sich die Nase.
    Hubert war Adrians jüngerer Bruder, Cornelia die Mutter der beiden. Trotz der schwülen Hitze, die selbst in der Nacht nicht weichen wollte, überzog eine Gänsehaut meine Arme. »Was ist mit den beiden?«, fragte ich.
    »Sie hatten heute Nachmittag einen Unfall. Sie sind beide tot, Finja. Verstehst du? Carl hat uns benachrichtigt. Wir sind gleich zu ihm gefahren. Wenn du ihn im Augenblick sehen könntest, würdest du Adrians Vater nicht wiedererkennen. Er sitzt nur da, hält Fotos der beiden an sich gepresst und starrt vor sich hin. Er sieht aus, als sei alles Leben aus ihm gewichen.« Ihr Schluchzen war in ein leises Wimmern übergegangen.
    Etwas in mir weigerte sich zu glauben, dass diese beiden Menschen nicht mehr da sein sollten. Hubert war erst einunddreißig, seine Mutter war im April sechzig geworden. Sie hatte mich zu ihrem Fest eingeladen, aber ich hatte abgesagt. Ich war in der Endphase eines Bildes gewesen und hatte meine Arbeit nicht für mehrere Tage unterbrechen wollen. »Wie ist das nur passiert?«, fragte ich erschüttert.
    »Ihr Wagen wurde aus einer Kurve getragen und ist frontal gegen einen Baum geprallt.«
    Meiner Phantasie reichten diese paar Stichworte, um in Bruchteilen von Sekunden vor meinem inneren Auge ein beklemmendes Szenario auferstehen zu lassen. Ich sah ein Knäuel aus verformten Blechteilen und zerquetschten Körpern, während der Baum nur ein paar tiefe Kerben abbekommen hatte.
    »Finja, bist du noch dran?«, fragte Amelie.
    Ich zog die Knie an und senkte den Kopf darauf. »Ja, ich bin noch dran«, antwortete ich tief in Gedanken. Hubert war ein bedachtsamer, fast gemütlicher Fahrer gewesen. So jemand fuhr doch nicht gegen einen Baum. Selbst wenn ihm ein Reifen geplatzt wäre oder die Bremsen versagt hätten, hätte er seinen Wagen ohne größere Schäden zum Stehen bringen können. »Ich begreife das nicht«, sagte ich leise.
    »Ein Bauer, der auf dem Feld an der Straße beim Heumachen war, soll einen Wagen gesehen haben, der die beiden rasend schnell überholt und dann geschnitten hat.« Ihrer Stimme war das viele Weinen anzuhören. Sie klang rauh und mitgenommen. »Gleich darauf seien sie gegen den Baum geprallt. Und der Raser habe sich einfach aus dem Staub gemacht.«
    »Fahrerflucht?« Ich schloss die Augen. Die Tränen fanden trotzdem ihren Weg.
    Einen Moment lang war es völlig still in der Leitung, bis Amelie weitersprach. »Hätte Hubert am Steuer gesessen, hätten die beiden ein solches Manöver vielleicht schadlos überstanden. Aber Cornelia ist gefahren. Hubert hatte wegen des Föhns starke Kopfschmerzen, wollte aber trotzdem unbedingt in München einen Termin wahrnehmen.« Sie stockte. »Cornelia wäre sich selbst untreu geworden, hätte sie ihren Sohn in diesem Zustand ans Steuer gelassen. Du kennst sie, Finja, sie ist … ich meine, sie war …«
    Eine der liebevollsten Glucken, die man sich überhaupt vorstellen konnte. Für ihre Söhne und ihren Mann hätte sie alles getan. Aufopferungsvoll hatte ich sie einmal genannt. Und sie hatte mir geantwortet, diese drei Männer seien ihr ganzes Glück. Sie werde alles tun, damit dieses Glück nicht getrübt werde.
    »Steht schon fest, wann die Beerdigung sein wird?«, fragte ich.
    »Am Freitag um elf Uhr. Die beiden werden im Familiengrab auf dem Bergfriedhof beigesetzt.« Einen Moment lang war nur ihr Atmen zu hören. »Adrian und ich haben Cornelia und Carl am Samstag besucht und ihnen erzählt, dass sie Großeltern werden. Carl hat rumgebrummelt, das werde ja auch Zeit. Und Cornelia hat gestrahlt und uns abwechselnd abgeküsst. Und einen Tag später ist sie tot und wird ihr Enkelkind nie zu Gesicht bekommen.«
    Also hatte ich mich doch nicht getäuscht. Das war es gewesen, was sie mir hatte erzählen wollen, bevor die schlimme Nachricht die freudige überholt hatte. »Es ist der völlig falsche Moment«, sagte ich leise, »aber ich freue
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