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Die Todesbotschaft

Die Todesbotschaft

Titel: Die Todesbotschaft
Autoren: Sabine Kornbichler
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Steinfußboden, dem die Jahrzehnte so manche Welle abgefordert hatten. Als ich den Hof durchquerte, winkte ich im Vorbeigehen der Sonnenanbeterin zu.
    Durch den Flur des Vorderhauses gelangte ich schließlich auf die Straße, die fast menschenleer dalag. Einen Moment lang hielt ich inne und ließ meinen Blick über die Häuserfassaden mit ihren bunt bepflanzten, schmiedeeisernen Balkonen wandern. Es war ein friedlicher Anblick.
    Hundert Meter von meinem Haus entfernt bog ich an der Kreuzung nach links, bis ich auf die Bergmannstraße stieß. Diese trubelige Straße mit ihren vielen kleinen Läden, den Straßencafés und der Markthalle hatte es nicht nur mir angetan. Nicht selten bewarben sich vierzig Leute um eine Wohnung. Deshalb empfand ich meine jeden Tag aufs Neue als ein großes Glück. Hinterhaus, vierter Stock ohne Aufzug, zwei Zimmer, eines davon mit einem kleinen Balkon, Küche, Bad, hohe Decken, altes Fischgrätparkett. Und das mitten in Kreuzberg. Mein Vater hatte mir dieses Glück zum Geschenk gemacht – als Vorschuss auf mein Erbe.
    Schräg gegenüber der Markthalle ergatterte ich vor dem Barcomi’s einen freien Platz. Ich bestellte Milchkaffee und Muffins und beobachtete die Menschen um mich herum. Einige schienen genau wie ich gerade erst aufgestanden zu sein, andere hatten Einkaufstüten und Kinderwagen abgestellt und gönnten sich eine Pause.
    Nachdem ich den ersten Muffin verdrückt hatte, schaltete ich mein Handy ein, um die Nachrichten abzuhören. Am vergangenen Montag hatte mir ein Richard Stahmer auf die Mailbox gesprochen und um Rückruf gebeten. Er sei durch Zufall auf meiner Homepage gelandet, und meine Bilder hätten ihn auf ganz unerwartete Weise gefangen genommen. Sie würden ihn einfach nicht mehr loslassen. Jetzt wolle er mich engagieren, um eine seiner Wände zu bemalen. Ich hatte ihn gleich am nächsten Tag angerufen und ihm gesagt, seine Wand würde sich mindestens ein halbes Jahr lang gedulden müssen, da ich bis ins kommende Jahr hinein ausgebucht sei. Ob ich sein Bild nicht vorziehen könne? Er brauche dringend einen Lichtblick. Ich hatte abgelehnt. Aber so standhaft ich war, als so hartnäckig erwies er sich. Tagtäglich waren weitere Nachrichten von ihm eingetrudelt, die ich jedoch nicht mehr beantwortet hatte. Ob er eine Vorstellung davon hatte, wie häufig Interessenten sich auf genau diese Weise vorzudrängeln versuchten?
    Mit seiner neuesten Nachricht erlangte er allerdings eine Alleinstellung. Von sechzehn bis siebzehn Uhr würde er auf der Bank gegenüber dem Eissalon tanne B. an der Markthalle in Kreuzberg sitzen und auf mich warten. Sein Erkennungszeichen sei eine türkisfarbene Sonnenbrille, deren Fassung an die Form eines Schmetterlings erinnere. Wenn ich ein Herz hätte, würde ich ihn nicht unnötig lange in diesem lächerlichen Aufzug dort ausharren lassen.
    Von mir aus hätte er im Kostüm eines Zitronenfalters dort sitzen können, ohne mein Mitleid zu erregen. Was mich bewog, trotzdem dorthin zu gehen, war eine Mischung aus Neugier und dem Wunsch, das Gesicht zu dieser klangvollen Stimme zu sehen.
     
    Bereits um kurz vor vier bezog ich Posten vor dem Eissalon, der lediglich aus einer Theke in der Außenmauer der Markthalle und einem Sammelsurium von Stühlen für Groß und Klein bestand. Für meinen Geschmack gab es in ganz Berlin kein besseres Eis als das von tanne B. Ich hatte meine Sonnenbrille aufgesetzt, löffelte Mangoeis aus einem Becher und hörte Coldplay über den iPod. Dabei ließ ich meinen Blick immer wieder unauffällig zu der Bank gegenüber wandern. Bisher saß dort nur eine junge Mutter, die es sichtlich genoss, ihr Eis in Ruhe essen zu können, während ihr Kind im Buggy schlief.
    Ich war so versunken in diesen Anblick, dass ich zusammenzuckte und herumfuhr, als mir jemand auf die Schulter tippte. Ich zog die Stöpsel des iPods aus den Ohren und sah den Mann fragend an.
    »Würden Sie kurz darauf aufpassen?« Er zeigte auf einen Laptop auf dem Stuhl hinter mir. Ohne meine Antwort abzuwarten, reihte er sich in die Schlange vor der Theke.
    Die junge Mutter hatte inzwischen Gesellschaft bekommen. Zwei Teenager hatten sich neben ihr breitgemacht und schienen für nichts anderes Augen zu haben als für ihre Handys. Ich sah auf die Uhr: kurz nach vier – von Richard Stahmer mit Schmetterlingsbrille war weit und breit nichts zu sehen.
    »Hier, bitte«, sagte der Laptopbesitzer und hielt mir eine Waffel mit einer Kugel Eis hin. »Cherry Mania, ich
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