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Die Tochter des Münzmeisters

Die Tochter des Münzmeisters

Titel: Die Tochter des Münzmeisters
Autoren: Marion Henneberg
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aus ihrer Hand. Er richtete sich auf und drückte sie zu Boden. Eine tiefe Wunde zog sich querüber seine linke Gesichtshälfte, und voller Grauen blickte Hemma in die blutige und wutverzerrte Fratze.
    Dann schlug er zu.
    Hemma hatte das Gefühl, als würde ihr Unterkiefer in tausend Stücke zerbersten, und wie durch eine Nebelwand hörte sie den seltsamen Akzent seiner Worte: »Den Rest überlasse ich meinem Herrn.«
    Schritte entfernten sich, und Schwerter klirrten. Hemma wurde übel, aber sie zwang sich hochzukommen. Ihr Blick war trübe, als sie sah, wie Azzo langsam auf ihren Vater und Burchard zuging. Im Gehen bückte er sich und griff nach seinem Schwert, das auf dem Boden lag. Hemma wollte schreien, doch kein einziger Ton kam über ihre Lippen. Im dem Augenblick, als Burchard von Gottwalds Klinge getroffen wurde, stieß Azzo sein Schwert in den Rücken von Hemmas Vater. Erst jetzt wandelte sich der lautlose Ton in einen gellenden Schrei, und Hemma hatte das Gefühl, den Schmerz nicht mehr ertragen zu können. Der Körper ihres Vaters sackte in sich zusammen, nachdem Azzo seine Waffe herausgezogen hatte, und nur undeutlich sah Hemma, wie eine Gestalt mit lautem Geschrei und gezogenem Schwert in den Raum stürmte. Azzo konnte sich gerade noch zur Seite drehen, aber es reichte nicht ganz, und er zuckte zusammen, als er getroffen wurde. Fast ohne jede Regung nahm sie wahr, dass der Scherge gleich darauf seinen deutlich kleineren Gegner mit einem Schlag niederstreckte. Ohne einen Laut sackte Randolf zusammen, fast im selben Augenblick, in dem auch Johann stöhnend zusammenbrach.
    Als Hemma die lauten Pferdehufe und Rufe vom Hof hörte, dauerte es einen Moment, bis sie wusste, was es zu bedeuten hatte. Trotzdem war sie nicht in der Lage, sofort den Kopf zu heben.
    »Vater, Mutter, wo seid ihr?«
    Die Worte ihres älteren Bruders drangen in ihr Bewusstsein, fast gleichzeitig mit dem Geruch nach Rauch. Erschreckt drehte sich Hemma um und riss die Augen auf. Azzo und Burchard waren wie vom Erdboden verschwunden, dafür brannten der Tisch und die Holzverriegelung der Fensteröffnung. Blitzartig kam Hemma auf die Beine. Sie lief zu ihrem Vater, der dicht neben dem Tisch auf dem Boden lag, und griff nach seinem Arm.
    »Hemma!«
    Ohne in ihrer Anstrengung nachzulassen, sah die junge Frau über die Schulter, direkt in das entsetzte Gesicht Goswins.
    »Hilf mir!«, schluchzte sie. »Ich schaffe es nicht alleine!«
    Mit zwei Sätzen war Goswin an ihrer Seite. Er schob sein Schwert zurück in die Scheide, bückte sich und hob den Körper seines Vaters hoch.
    »Verschwinde!«, schrie er sie an, bevor er mit seiner Last zur Tür ging.
    In dem Augenblick stürmten drei weitere Männer in den brennenden Raum. Sie brauchten nicht lange, um die Situation zu erfassen. Einer von ihnen hob vorsichtig Edgitha hoch, während der andere das Gleiche mit Hemma tun wollte.
    »Nein, mir fehlt nichts«, sagte sie energisch, ihre Schmerzen im Gesicht ignorierend, »ihm musst du helfen.« Dabei zeigte sie auf Randolf, der sich noch immer nicht regte.
    Nachdem der Mann den verletzten Knappen hochgehoben und den Raum verlassen hatte, schwankte Hemma hinter ihm her. Sie stolperte in den Hof hinaus, wo ein furchtbares Durcheinander herrschte. Die Ställe brannten ebenfalls, und Hemma sah, wie sich einigeMänner um die verängstigten Tiere bemühten. Immer mehr Menschen strömten durch das geöffnete Tor, um mit anzupacken. Viele trugen Eimer mit Wasser, andere kümmerten sich um die Verletzten. Voller Verzweiflung sah die junge Frau sich nach ihren Eltern um, bis sie schließlich Goswin entdeckte, der direkt auf sie zulief.
    »Vater und Mutter sind außerhalb des Tores.«
    Für einen kurzen Moment legte er beide Hände auf ihre Schultern und sah ihr tief in die Augen. Sein Gesicht und die schwarze Kleidung waren rußverschmiert. Im nächsten Augenblick war die innige Verbundenheit gebrochen, und er eilte weiter, um den anderen beim Löschen zu helfen.
    Als Hemma hinauslief, achtete niemand auf ihr verschmutztes und zerrissenes Kleid, noch nicht einmal sie selbst, genauso wenig wie sie den Blutgeschmack bemerkte, der sich seit Azzos Faustschlag in ihrem Mund verteilt hatte. Der Regen hatte aufgehört, so als wollte er sie zusätzlich strafen, indem er das Feuer nicht löschte. Dafür hatte der starke Wind nachgelassen.
    Hemma brauchte nicht zu suchen. Kaum hatte sie den elterlichen Hof verlassen, da entdeckte sie neben der Mauer die kleine Gruppe.
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