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Die Tochter des Ketzers

Die Tochter des Ketzers

Titel: Die Tochter des Ketzers
Autoren: Julia Kröhn
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Bräutigam zu finden. Die meisten anderen Mädchen wurden schließlich schon im zarten Kindesalter verlobt. Caterina reute es kaum. Den Preis, in ihrem kargen Zimmer hocken zu bleiben, zahlte sie gerne, wusste sie nur, dass sie solcherart ohne Sünden blieb und den Vater erfreute. Weder konnte sie sich ein Kloster vorstellen, das randvoll mit Weibern war, noch einen Mann, der nicht das Gesicht ihres Vaters trug.
    Erst jetzt, da es diese sichere Zuflucht nicht mehr gab, da wünschte sie, sie wüsste ein wenig mehr von dieser fremden Welt, die für den Vater nie anderes gewesen war als ein Sündenpfuhl.
    »Was soll ich nur tun?«, jammerte sie. »Was soll ich nur tun?«
    Sie hatte unendliche Angst vor der Fremde.
Rom, 251 n.Chr.
    Dies ist die Geschichte meines Schatzes, die Geschichte der Schuld, die ich auf mich geladen habe – und die Geschichte meiner Liebe.
    Ich heiße Krëusa, ich bin Sklavin, und die Liebe, die ich meine, galt meinem Herrn, Felix Gaetanus Quintus, römischer Ritter, aus altem etruskisch-italischem Adel stammend, verwandt mit Otacilia Severn, der Gattin des Philippus Arabs, das war der römische Kaiser vor Decius. Als Philippus gegen das Volk der Karpen kämpfte, nachdem diese die Donau überquert hatten, stand Gaetanus an Philippus’ Seite – was ihm zu dessen Gunst verhalf, nicht zu der seines Nachfolgers.
    Ich liebte ihn also und war sehr unglücklich dabei. Ich glaube, Unglück ist eines der vielen Gesichter der Liebe. Manchmal ist die Liebe wollüstig, manchmal zärtlich; manchmal sucht der Liebende nur Schutz. Mir hätte es genügt, von meinem Herrn gesehen zu werden, doch das tat er nicht.
    Ich war in seinen Besitz übergegangen, als sein Oheim kinderlos starb. Jener Oheim hieß Silvanus Sextus, hatte dicke Finger und Ringe an jedem von ihnen, mit denen er fortwährend spielte – es sei denn, seine Hände waren damit beschäftigt, nach Sklavinnen zu grapschen. Er war dicklich, ständig rot im Gesicht – und er war gutmütig.
    Meine Mutter ist seine Sklavin gewesen, vielleicht hat sie mich von ihm empfangen, vielleicht von einem der Gäste, die gerne zu ihm kamen, um sich an Wein und Gesang zu erfreuen (und gewiss nicht nur daran), vielleicht von einem anderen. In jedem Fall war es Silvanus Sextus’ rotes Gesicht, das sich wohlwollend über mich beugte, als ich geboren wurde, während er mit seinen Ringen spielte, gleichwohl es immer schwerer wurde, sie an seinen dicken Fingern zu drehen. Er war es auch, der mir einen Namen gab. (Ich weiß übrigens nicht, wie er darauf kam, mich nach einer Tochter des Priamos zu benennen, vielleicht, weil Vergils Aeneis gerade zu seiner Lektüre zählte). Silvanus mochte Neugeborene. Nie wäre es ihm in den Sinn gekommen, eines von ihnen aussetzen zu lassen. Er schnüffelte an ihnen, weil er meinte, dass sie gut röchen. Das tat er zwar nicht mehr, kaum dass ich laufen konnte, ein Mädchen wurde, etwas kleiner, etwas draller als die übrigen – aber das Lächeln behielt er stets auf den Lippen.
    Felix Gaetanus lächelte nie. Er hatte Augen, dunkel wie Kohlestücke, aber ohne Glanz. Auch sein Haar war schwarz und glatt nach hinten gekämmt. Nur ein einziges Mal habe ich erlebt, wie sich Strähnen daraus lösten, doch das will ich euch später erzählen. Seine Haut war weiß wie Milch, nur unter den Augen wölbte sie sich, als hockten dunkle Würmer darunter, und mit den Jahren begann sie unter dem Kinn ein wenig schlaff zu werden. Sein Mund war schmal, die Oberlippe ragte ein wenig über die untere – vielleicht war es das, was den Eindruck vermittelte, er wäre trotz aller Gleichgültigkeit, trotz der steifen Haltung, trotz der reglosen Miene ein Leidender.
    Nach Silvanus’ Tod – er starb in jenem Jahr, als das tausendjährige Bestehen des römischen Reiches prächtig gefeiert wurde – begrüßte er jeden Einzelnen von seinen ererbten Sklaven. Er ließ sich ihre Namen sagen, aber bei keinem hatte es den Anschein, er würde sich diesen auch merken. Seine Brauen hoben sich nicht, seine Stirne runzelte sich nicht, seine dünnen Lippen kräuselten sich nicht. Er war ernst.
    »Er lacht nie«, sagte eine seiner Sklavinnen später zu mir. »Er weint auch nie. Er zeigt nicht, was erfühlt. Es lässt sich gut leben, mit ihm als Herrn.«
    Ich weiß nicht, ob meine Liebe damals zu wachsen begann, ihre Wurzeln sich festkrallten an eigentlich unwegsamem Gelände, das trotz eifriger Bewässerung kaum Frucht zu bringen vermochte. Ich weiß nur, dass ich dachte
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