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Die Tochter des Ketzers

Die Tochter des Ketzers

Titel: Die Tochter des Ketzers
Autoren: Julia Kröhn
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beängstigend weiten Himmel zu erschauen.
    In der Welt lauerte die Sünde. Mehr als einmal hatte Pèire ihr das eindringlich erklärt. Kaum dass sie das Alter erreicht hatte, da sie die Vernunft gebrauchen konnte und folglich Gefahr lief, ihre Umwelt mit dieser womöglich falsch zu deuten, hatte er sie nicht mehr nach draußen gelassen ist. Verlass dein Zimmer nur, wenn’s dir von mir gestattet ist, das Haus jedoch niemals. Die Menschen da draußen sind schlecht. Ein jeder von ihnen könnte ein Ketzer sein – ein Irrgläubiger, der leugnet, dass Jesus Christus der Sohn des göttlichen Vaters ist. Oder es sind Franzosen, die nur darauf warten, uns das Vermögen zu rauben, so wie sie den okzitanischen Adel nun schon seit Jahrzehnten bluten lassen.
    Caterina hatte sich darauf eingestimmt, dass das Haus für ewig ihr einziger Aufenthaltsort sein sollte, vor allem, als sich die Pläne zerschlagen hatten, sie ins Kloster zu schicken.
    Vor vier Jahren, als sie zwölf Jahre alt gewesen war und damit als erwachsene Frau galt, hatte sie Vater und Mutter darüber reden gehört. Eigentlich sprach nur Pèire. Félipa sprach so gut wie nie.
    Ein Kloster wäre besser als die Ehe, hatte Pèire damals beschlossen. Leider gäbe es nur so wenig Frauenklöster im Languedoc, er wüsste von einem Kloster der Benediktinerinnen und zweien der Zisterzienserinnen. Freilich höre man nun auch viel von einem neuen Frauenorden, der sich ausbreitete. So wie die Zahl der Franziskaner, nähme auch die dieser Klarissen zu.
    Das Vorhaben, die einzige Tochter zu einer von jenen zu machen, schien Pèire zu gefallen, denn seitdem er es das erste Mal ausgesprochen hatte, verlängerte er die tägliche religiöse Unterweisung um zwei Stunden und lehrte sie außerdem das Lesen. Zwar gäbe es unter den Schwestern auch solche, die das nicht beherrschten – doch nach seinem Wunsch solle sie zu den Sorores litteratae zählen.
    Es war nicht Ehrgeiz, der ihn trieb.
    »Vielmehr ist es wichtig«, erklärte er ihr eines Tages, »dass du zwischen rechtem Glauben und Häresie unterscheiden kannst. Und zu diesem Zwecke ist es ratsam, die heiligen Schriften zu kennen.«
    Auch vier Jahre später hielt er sie noch an, sich weiter zu bilden. Mittlerweile konnte sie nicht nur schreiben, sondern beherrschte obendrein das Lateinische. Die Klosterpläne hingegen hatten sich zerschlagen.
    Eines Tages hatte der Vater das Haus verlassen und wiederkehrend der Mutter berichtet, dass die Sanctimonialis, die Subpriorin des nächstgelegenen Klosters, Caterina nicht aufnehmen wollte. Begründet hatte sie die Ablehnung damit, dass das Kloster bereits vierzig Schwestern beherberge, somit jene Zahl erreicht sei, die nicht überschritten werden dürfte. Pèire hatte ihr nicht geglaubt. Caterina hatte ihn selten so wütend, so unbeherrscht erlebt.
    »Wenn es nur um die Zahl ginge«, hatte er gesagt, »so hätte sie mir doch in Aussicht stellen können, Caterina später aufzunehmen, wenn eine der anderen Schwestern stürbe ... aber nein, sie will sie nicht haben, weil wir die notwendigen hundert Silberstücke nicht aufbringen können, die sie als Mitgift fordert. Aber ich habe Land zu bieten, doch nicht viel Geld! Wer hat das schon?«
    Er hatte verzweifelt geklungen, so, als stünde Caterinas ganzes Leben auf dem Spiel, als hätte er ein für alle Mal darin versagt, es zu retten.
    Félipa, die Mutter, hatte wie immer kein Wort gesagt. Nur Lorda, mit ihrem Gespür für die schlechte Stimmung des Herrn, hatte vorgeschlagen, es doch bei den Dominikanerinnen zu versuchen.
    »Die werden sie noch viel weniger aufnehmen«, hatte Pèire erwidert – und Lorda hatte Caterina später erklärt, dass die Nachfolger des großen Dominikus den Frauen gegenüber sehr feindselig eingestellt seien, Klostergründungen erschwerten oder gar unmöglich machten und Konvente, die es bereits gab, schlossen.
    So musste Pèire eben andere Pläne machen.
    »Nun«, hatte der eine Woche später der schweigenden Mutter erklärt, »sie muss nicht in ein Kloster eintreten, um ihr Leben Gott zu weihen.«
    Er hatte von den Deo devotae gesprochen, Frauen, die zwar keine Ordensschwestern waren, jedoch wie Nonnen lebten, nach jenen Regeln, die der große Kirchenlehrer Cäsarius von Arles für gottgefällige Jungfrauen festgelegt hatte. Zwar hielten sich jene oft in der Nähe eines Klosters auf, bewohnten aber Privathäuser.
    Für andere Pläne schien es ohnehin zu spät, denn mit über 16 Jahren war sie zu alt, um noch einen
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