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Die Tochter des Giftmischers - Poole, S: Tochter des Giftmischers - Poison

Die Tochter des Giftmischers - Poole, S: Tochter des Giftmischers - Poison

Titel: Die Tochter des Giftmischers - Poole, S: Tochter des Giftmischers - Poison
Autoren: Sara Poole
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vor ihm dort zu sein und mich um das Essen zu kümmern.
    Als der Kardinal schließlich eintrat, schien er müde aber keineswegs niedergeschlagen zu sein. Er zog die Handschuhe aus und nahm ein Glas Wein in Empfang.
    »Ich glaube, Gherardo wird langsam senil«, sagte er unumwunden.
    Es dauerte einen Moment, bis ich begriff, dass von dem alten Patriarchen von Venedig die Rede war, für den man das Konklave eigens verschoben hatte.
    »Während unseres Gesprächs schien er über weite Strecken wieder der kleine Junge aus Venedig zu sein.«
    »Habt Ihr seine Stimme?« Vermutlich denkt Ihr, dass ich in meiner Position sehr viel vorsichtiger hätte zu Werke gehen müssen. Mein Vater war auf diesem Gebiet ein wahrer Meister, doch mir fehlt diese Gabe leider.
    Zum Glück störte sich Borgia nicht an meiner direkten Art. Im Gegenteil, wie er mir später sagte, schätzte er diesen Zug an mir mehr als vieles andere.
    »Falls Gherardo morgen Herr seiner Sinne ist, so habe ich sie … vielleicht.«
    Ich trat einen Schritt zurück und starrte den Kardinal an. Mein Herz klopfte.
    »Also ist es vollbracht?«
    Borgia zuckte die Schultern und trank einen Schluck.
    »Falls es Gottes Wille ist.«
    So leicht täuschte er mich nicht. Dazu kannte ich ihn zu gut. Ich wusste, dass er tief im Inneren große Freude empfand, aber trotzdem vorsichtig blieb. Weshalb auch nicht? Er war dem Ziel so nahe, und doch …
    »Della Rovere weiß Bescheid«, sagte ich. »Zumindest vermutet er etwas.«

    »Und woher wisst Ihr das?«
    »Ich bin ihm heute Nachmittag auf dem Flur begegnet. Er wirkte sehr … verstimmt.«
    »Vielleicht neigt er ja zu Verstopfung? Wer weiß?«
    Unwillkürlich musste ich lächeln.
    »Ich denke, dass wichtigere Gründe dahinterstecken.«
    »In der Morgendämmerung wird das nächste Mal abgestimmt«, sagte Borgia. »Kurz zuvor werde ich Gherardo noch einmal aufsuchen. Bis dahin vertraue ich auf Euch und auf unser starkes Schloss an der Tür.«
    Ich nickte, doch während ich mich meinen Pflichten widmete und dem Kardinal das Essen bereitete, war ich in Gedanken woanders. Wie auch immer es um della Roveres Eingeweide stand – ich hatte genug gesehen, um zu wissen, dass seine Miene nur bedeuten konnte, dass der endgültige Schlag demnächst erfolgen würde. Und Morozzi strotzte vor Selbstsicherheit und wollte mich verunsichern. Aber für uns alle galt, dass wir in einer kleinen Welt eingesperrt waren. Um einen Mord zu begehen und ungestraft davonzukommen, gab es nur eine Möglichkeit: Man musste lügen und einem anderen die Schuld in die Schuhe schieben.
    »Della Rovere dürfte sich inzwischen klar darüber sein, dass er Eure Wahl zum Papst nur verhindern kann, indem er Morozzi gestattet, Euch zu töten«, sagte ich.
    »So scheint es …«, murmelte Borgia. Er schien die Sache noch einmal durchdenken zu wollen, obwohl er schon so nahe am Abgrund stand.
    »Trotz ihres Bündnisses«, fuhr ich in einer Art Selbstgespräch fort, »verfolgen della Rovere und Morozzi im Grunde getrennte Ziele.«

    Dieser Gedanke war mir schon früher einmal durch den Kopf gegangen, aber ich hatte ihm keine Beachtung geschenkt. Nun zwang ich mich dazu, und je länger ich überlegte, desto stärker wurde meine Überzeugung, dass das, was die beiden Männer trennte, mindestens genauso wichtig war wie das, was sie verband.
    Der Kardinal musterte mich.
    »Was sagt Ihr da?«
    Ich starrte förmlich durch ihn hindurch und sah mit einem Mal das dunkle, verschlungene Gedankenlabyrinth vor mir, dem ich vom ersten Tag an gefolgt war, seit ich die Bekanntschaft dieses irren Priesters gemacht und versucht hatte, seine Absichten zu durchschauen. Wie aus weiter Ferne hörte ich meine Worte.
    »Della Rovere möchte Papst werden, aber er ist auch mit der Wahl eines Stellvertreters zufrieden, den er beeinflussen kann. Morozzi dagegen möchte sicherstellen, dass nur ein Kardinal zum Papst gewählt wird, der danach auch das Edikt gegen die Juden unterzeichnet. Das kann irgendjemand sein, keineswegs nur della Rovere oder sein Stellvertreter, sondern jeder beliebige Kardinal – außer Euch natürlich. «
    »Ich kann den Unterschied nicht erkennen. Beide sind doch fest entschlossen, meine Wahl zum Papst zu verhindern. «
    »Das ist richtig. Aber Ihr habt selbst gesagt, dass Morozzi kein Anhänger von della Rovere ist. Doch Morozzi hat alles daran gesetzt, den Kardinal in dieser Meinung zu bestärken, weil er ihn sonst niemals ins Konklave mitgenommen hätte.«

    Noch während ich
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