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Die Tochter der Tibeterin

Die Tochter der Tibeterin

Titel: Die Tochter der Tibeterin
Autoren: Federica de Cesco
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ergriffen worden zu sein, ohne sie wie einen erregenden Traum in ihrer Erinnerung zu bewahren. Eine Frau, die wirklich geliebt hat, kennt diese Erregung. Einmal hatte sie mich berührt, und sie dauerte für alle Zeiten an. Solange Atan mich in den Armen hielt, war diese Erinnerung da; sie kam mit dem Duft von nassen Gräsern und trockener Erde, von heißen Steinen und Neuschnee, mit dem Geruch nach Yakleder und Wacholderrauch, nach feuchtem Wolfspelz und frisch gewebter Wolle; ich dachte an die weißen Stürme unter dem schwarzen Himmel, an die verschneiten Hänge und das Klirren des Eises. Ich dachte an den Frühling, wenn die Steppenadler über den Festungen kreisten und hundert Bäche auf den Bergflanken glitzerten, bis sie sich in einen einzigen Teppich aus Blumen verwandelten, in einen Garten ohne Grenzen unter dem Himmel, der so viel höher und weiter war als überall sonst auf der Welt. Die körperliche Begierde, die Sehnsucht, noch einmal durch Atan die Faszination meiner Reise zu erleben, und dazu der heimliche, verzehrende Drang, ihn für ewig an mich zu binden, all das verband sich in mir zu einer Leidenschaft, die ich ohne Hemmung zeigte. Seit damals, als ich zum ersten Mal mit Atan geschlafen hatte, war das Gefühl da, es verließ mich nicht, versetzte mich in einem Taumel der Sinne, den ich kaum für möglich gehalten hatte. Seine Größe, seine Körperkraft war eine erstaunliche Quelle von Vitalität. Wieder und wieder hatte die Sonne seine Haut verbrannt, bis sie wie dunkel poliertes Holz glänzte. Das lockige Haar hing wirr über die gewölbte Stirn, die vollen, harten Wangen.
    Von einem Augenblick zum anderen konnte sein Gesicht den Ausdruck wechseln, Verschlagenheit, Naivität, Spott oder kindliche Freude zeigen; das alles verlieh ihm einen ungewöhnlichen Ausdruck, übte eine eigentümliche Macht und einen einzigartigen 38
    Reiz aus. Auf der anderen Seite verdankte er mir das Leben; irgendwie machte ich Herrschaft über ihn geltend. Das kam ganz spontan, und ich merkte es erst nachträglich. Arzte sind es gewohnt, ihren Willen durchzusetzen. Ihre Gedanken verweilen nicht gerne bei Gefühlen, dazu sind sie zu praktisch veranlagt.
    Ich misstraute der Erfüllung, die ich in Atans Armen fand. Und doch brauchte er nur seine Hand auf meine Schulter zu legen, mich an sich zu ziehen. Sofort war mein eigener Körper mit einem Schlag gelockert, nachgiebig, als wollte er sich mit dem Körper, der nach mir rief, verschmelzen. Wir waren zwei Menschen, die ein unterschiedliches Leben führten. Den Glauben an irgendeine romantische Einsamkeit zu zweit konnten wir uns längst nicht mehr vorstellen. Und so begnügten wir uns mit dem, was uns geschenkt wurde, mit diesen kurzen Augenblicken, die wir für uns hatten.
    Wir entkleideten uns schnell, sanken auf das Bett; Atans Fingerkuppen rührten meine Haut an, streichelten mich, kannten die richtigen Stellen, traumwandlerisch sicher in jeder Bewegung. Mein Körper antwortete aus der Erinnerung, ich beobachtete es überrascht.
    Mit jeder Geste, mit jeder Bewegung kehrte das Gestern, das nie Vergessene, zurück. Es ließ sich nicht genau erklären, warum ich hierher gehörte, in diese Umarmung, es war kein rationales Gefühl, lediglich das Empfinden, dass es so sein musste. Unter dem festen und gleichmäßigen Druck seiner Finger bäumte sich mein Körper diesem Mann entgegen, öffnete sich, suchte ihn. Während Atan beide Arme unter meinen Rücken legte, während er tief in mich hineinglitt, klammerte ich mich an ihn, spürte ich unter meinen zuckenden Fingern seine Schultern, glatt und rund wie Kiesel, seinen geschmeidigen Rücken, von Sonne und Wind poliert. Meine Finger wanderten seine Hüften entlang, über die Lenden hinaus, formten seinen warmen Leib, der sich bei jedem Pulsieren straffte und emporhob. Dieser Körper, der sich so sanft und elastisch auf mir bewegte, verfügte über eine Stärke, so ausgewogen und beherrscht, dass er ein feines Beben in mir auslöste. Das Bild von ihm, das mich seit Monaten verfolgte, das Träume und Empfindungen auslöste, nahm Gestalt, Wärme und Leben an. Ich klammerte mich an dieses lebendig gewordene Bild, brachte es ganz in meinem Besitz, kostete das heftige und dumpfe Brennen in mir aus, diesen Glutherd tief in meinem Innern.
    Schweißtropfen fielen von Atans Stirn auf meine Lippen, ich leckte sie, trank sie gierig, während wir gemeinsam stöhnend die 39
    höchste Lust erreichten und das Entzücken der Erfüllung unser
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