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Die Teufelssonate

Die Teufelssonate

Titel: Die Teufelssonate
Autoren: Alex van Galen
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Griff.
    Nach zwei Jahren kehrte die Familie wieder nach Den Haag zurück, wo die Kinder in verschiedene Schulen gesteckt wurden. Beim Umzug verlor Mikhael das Heft mit den russischen Vokabeln. Sein Vater hatte es wahrscheinlich an sich genommen, und es hatte keinen Sinn, danach zu fragen, das wußte er genau. In Den Haag wurde alles anders. Linda fand schnell Anschluß in der Schule und begann immer mehr, ein eigenes Leben zu führen. Mikhael zog sich in seine Musik zurück. Als er anfing aufzutreten, nahm er den Namen seiner Mutter an, um sie nie zu vergessen.
    »Mischa … nun sag doch was.«
    Notovich schaute sie an. Wo wäre er ohne Linda? Er würde gern offener zu ihr sein. Ehrlicher. Es war ihm gelungen weiterzuatmen. Es war ihm gelungen, aus dem Bett zu kommen, auf die Straße zu gehen und eine Therapie zu machen. Aber wenn er die Kontrolle nur für einen Moment verlor, sah er sofort das strudelnde schwarze Loch wieder vor sich. Er würde sein Leben nie zurückerhalten. Nicht, solange er nicht wußte, was er Senna angetan hatte.

3
    A ls Linda ihn nach Hause brachte, war eine Nachricht von seinem Agenten Bröll auf dem Anrufbeantworter.
    »Ich bin's, Noto. Ich habe großartige Neuigkeiten! Aber das möchte ich lieber nicht am Telefon besprechen. Ich bin um acht in ›Het Luipaard‹. Bitte komm. Wirklich, ich meine es ernst. Wir haben etwas zu feiern. Bring meinetwegen deine langweilige Schwester mit, wenn es unbedingt sein muß.« Er schwieg einen Moment, als ob ihm etwas bewußt würde, und fügte dann hinzu: »Hallo, Linda. Dir auch ein herzliches Willkommen.«
    Linda schüttelte mitleidig den Kopf. Sie konnte Bröll nicht ausstehen. Er dachte ihrer Meinung nach zu viel an Sex und teilte diese Gedanken zu oft mit anderen Leuten. Außerdem vertraute sie Bröll nicht. Womit hatte dieser Mann sein Geld verdient, bevor er Notovich kennengelernt hatte? Bröll ließ das immer im Vagen. Mal war er Makler gewesen, dann wieder Zauberkünstler oder Gebrauchtwagenhändler.
    »Wenn Gebrauchtwagenverkäufer der Deckmantel ist, wie schlimm muß dann erst die Wahrheit sein?« fragte sie sich laut. Notovich zuckte mit den Schultern. Er hatte eine Schwäche für den ungreifbaren Bröll. In den letzten beiden Jahren hatte ihn dieser nicht ständig bedrängt, wann er wieder aufzutreten gedenke. Und das obwohl Notovich der einzige Klient war, an dem er je etwas verdient hatte.
    »Vielleicht solltest du hingehen«, sagte Linda, als sie sah, daß er nicht ganz abgeneigt war. Sie fand es wichtig, daß Mikhael so viel wie möglich rauskam. Sie hatte nur Angst, daß Bröll ihren Bruder wieder für Auftritte begeistern würde.
    Unter der Dusche beschloß er, sich den Bart abzurasieren.
    »Weißt du, wo der Rasierschaum steht?« fragte er. Linda blätterte gerade seine Post durch. Das war Routine, denn sie bezahlte all seine Rechnungen.
    Sie schaute ihn an.
    »Rasierschaum? Bist du sicher?«
    »Nein.«
    »In dem Schränkchen unter dem Waschbecken, glaube ich. Soll ich sonst mal nachsehen?«
    »Weißt du was … ich mach es morgen.«
    »Nein, es ist eine gute Idee. Ich will dich mal ohne dieses Winterfell im Gesicht sehen.«
    Er kramte in dem Schränkchen. Ganz hinten fand er eine neue Dose Rasierschaum, ein eingepacktes Rasiermesser und eine Schere, mit der er die gröbste Behaarung wegschneiden konnte.
    Vorsichtig schnitt er das erste Haarbüschel ab. Es fühlte sich komisch an.
    »Übrigens, ich habe einen Brief von deinem Anwalt in Paris bekommen«, sagte sie auf einmal.
    Er legte die Schere aufs Waschbecken.
    »Die französische Polizei will deine Adresse haben. Sie gehen offenbar davon aus, daß ich weiß, wo du wohnst.«
    »Aber das weißt du nicht. Oder?«
    »Darum geht es nicht. Vielleicht kommen sie demnächst vorbei, um sich danach zu erkundigen, und was soll ich dann sagen?«
    »Hattest du nicht eine Anwältin?«
    »Die erwische ich nicht. Aber es ist mir auch schnurzegal, was die sagt. Ich weiß einfach nicht …, wie ich lügen soll.«
    Sie wich seinem Blick aus. Endlich stellte er die Frage, die die ganze Zeit zwischen ihnen gestanden hatte, unbehaglich schweigend wie ein Gast, der weiß, daß er nicht willkommen ist.
    »Linda, glaubst du, daß ich es getan habe?«
    »Fängst du jetzt wieder damit an?«
    »Wieder? Wir haben nie darüber gesprochen.«
    »Dummkopf!« sagte sie, während sie aufstand.
    »Heißt das ja oder nein?«
    »Du bist mein Bruder und damit basta.«
    Sie überredete ihn, sich doch zu rasieren.
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