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Die Teufelssonate

Die Teufelssonate

Titel: Die Teufelssonate
Autoren: Alex van Galen
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Augenstiftung und die Magen-Leber-Darm-Stiftung. Als sie alle Organe durchhatten, wechselten sie zu den Krankheiten über. Notovich konnte nicht beurteilen, welche die schlimmste war, also wurde alphabetisch verfahren: A wie Asthmafonds und Aidsfonds, D wie Diabetesfonds, K wie Krebsfonds, M wie ME und, nicht zu vergessen, MS . Danach nahmen sie internationale Probleme in Angriff. Zuerst mit Kindern: War Child, Chancen für Kinder, Child Care Afrika. Dann vertieften sie sich in erwachsenere Probleme, wie die Hungerfrage und die Erwärmung (oder Abkühlung, wie hartnäckige Querköpfe behaupten) der Erde.
    Linda muckte hin und wieder auf.
    »Du kannst doch nicht dein ganzes Geld verschenken und selbst in einem feuchten Keller verrotten?«
    Bröll wußte davon, mischte sich aber nicht ein.
    »Das ist ein brillanter Deal«, sagte er.
    »Für dich vielleicht«, entgegnete Linda.
    Notovich bedeutete ihr, den Mund zu halten. Sie machte eine entschuldigende Geste und legte ihre Hand auf die ihres Bruders.
    »Ich will kein Geld verdienen mit dieser Musik. Das weißt du«, sagte Notovich.
    »Aber ich dachte, weil es um Rachmaninow geht und nicht um Liszt …«, begann Bröll. »Es war doch nur Liszt, womit du … ein Problem hast?«
    »Wir überlegen es uns noch«, sagte Linda mit einem vernichtenden Blick auf Bröll. »Nicht wahr, Mischa? Der Stiftung Eichhörnchenasyl haben wir noch nie etwas gespendet.«
    Bröll nahm einen kräftigen Schluck Whisky und rührte seine Vorspeise nicht an. So angespannt hatte Notovich ihn nicht oft gesehen. Er bereute es, daß er sich in das Restaurant hatte locken lassen. Er spürte die neugierigen Blicke der anderen Gäste. Als der erste Gang abgetragen wurde, tippte ihn ein älterer Mann auf die Schulter.
    »Sind Sie vielleicht Notovich, der Pianist?«
    »Na und?« fragte Bröll in drohendem Ton, um seinen Klienten zu schützen.
    »Laß sie doch, Jan«, sagte die Frau neben dem Mann, der das Gespräch eröffnet hatte. »Du siehst doch, daß die Leute in Ruhe essen wollen.«
    »Nein«, sagte der Mann entschieden. »Ich finde, daß sie das hören sollten.«
    Noch bevor Bröll das Ehepaar vertreiben konnte, begann der Mann mit seiner Geschichte.
    »Unser Sohn ist voriges Jahr bei einem Unfall ums Leben gekommen. Meine Frau hat seinen Tod nicht verwunden. Ich selbst bin ja ziemlich nüchtern, doch sie nimmt alles viel schwerer. Ich vermochte sie nicht zu trösten. Wir drifteten auseinander; ich sah, wie meine Frau immer tiefer in ihrem Kummer versank, und konnte ihr nicht helfen. Aber Ihre Musik hat ihr geholfen. Tagaus, tagein hat sie Ihre Aufnahmen gehört, und mit jedem Tag ging es ihr ein Stück besser. Es ist ein Wunder. Ich verstehe nichts von Musik, doch ich weiß, daß Ihr Spiel etwas hat … etwas, das mit Harriets Schmerz zu tun hat.«
    Die Frau wurde bleich bei der Erinnerung an ihr Leid und nickte ab und zu. Als ihr Mann ausgeredet hatte, legte sie ihre Hand auf Notovichs Arm.
    »Danke«, sagte sie leise. »Sie wissen nicht, was mir das bedeutet.«
    Sie weinte. Ihr Mann strich ihr sanft über den Rücken. Es war eine Geste, die Notovich hätte rühren müssen. Statt dessen schob er die Hand der Frau weg und sagte: »Mensch, mach doch 'ne Therapie.« Dann lief er ohne Jacke in die Nacht hinaus.
    Die älteren Leute zogen sich rasch zurück. Bröll reichte Linda ein Taschentuch, mit dem sie sich die Augen abtupfen konnte. Danach blieben sie eine Weile schweigend sitzen, wie ein Ehepaar, das sich schon seit Jahren nichts mehr zu sagen hat.

4
    L inda hatte den Pariser Anwalt angerufen, aber nichts Neues erfahren. Dieser hatte tatsächlich eine förmliche Anfrage nach Mikhaels Adresse erhalten, es gab jedoch noch keine konkreten Hinweise darauf, daß der Fall wiederaufgenommen worden sei. Notovich nahm es zur Kenntnis. Er machte sich fertig für seinen ersten Arbeitstag.
    Bröll stand eine halbe Stunde zu früh vor der Tür, er wollte Notovich unbedingt hinbringen. Vielleicht vermißte er den Kontakt zur Musikwelt und sein Leben mit einem der bedeutendsten Pianisten der Welt.
    »Behältst du das an?« fragte er erstaunt, als er den Anzug sah, den Linda im Internet gekauft hatte.
    Die überhörte die Beleidigung. Sie gab Bröll eine ganze Liste von Anweisungen, zog Mikhaels Kragen zurecht und wischte ihm ein paar Krümel vom Mund. Dann erst ließ sie die Männer gehen, nicht ohne Bröll noch einen bösen Blick zuzuwerfen, der heißen sollte: Wenn du das vermasselst, dann kannst du was
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