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Die Teufelsbibel

Titel: Die Teufelsbibel
Autoren: Richard Dübell
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glauben, die Christenheit ließe sich mit Hilfe einer Waffe oder der Schlauheit des Teufels retten. Wenn es doch welche gibt, werden sie sich überlegen müssen, wie sie dem Kaiser die Erlaubnis abluchsen können, in seiner privaten Sammlung herumzustöbern.«
    »Aber die Kopie ist zu nichts nütze. Der Schlüssel zum Code fehlt.«
    »So ein Pech«, sagte Cyprian.
    Abt Martin ließ den Kopf hängen. »Ich habe versagt«, erklärte er nach einer Weile.
    »Wieso denn? Das Original ist nach wie vor in Ihrer Obhut, irgendwo dort unten. Passen Sie nur weiter schön darauf auf.«
    »Nein. Ich habe versucht, die Welt vor der Teufelsbibel zu schützen, aber tatsächlich habe ich das Buch selbst geschützt. Und nicht einmal das wäre mir gelungen, wenn Sie und der Bischof nicht gewesen wären. Ich habe versucht, das Buch zu schützen, indem ich meine Freunde geopfert habe.« Er wies zu Buh und dem toten Pavel hinüber. »Sie und der Bischof haben versucht, Ihre Freunde zu schützen – und mit ihnen die ganze Christenheit. Ich habe versagt.«
    Er hob den Blick und suchte Cyprians Augen. Er sah förmlich, wie dieser die Eindrücke sortierte, für die er, Abt Martin, verantwortlich war: das Massaker vor zwanzig Jahren, die Morde, die Pavel in seinem Auftrag begangen hatte, das brennende Haus, Pavels Tod –
    »Ja«, sagte Cyprian. Er wich dem Blick des Abtes nicht aus.
    »Ich danke Ihnen für alles, was Sie getan haben.«
    Plötzlich fischte Cyprian in seinem Hemd herum und zog zwei Münzen heraus. Er hielt sie Abt Martin hin, und dieser erkannte bestürzt, dass es zwei der Medaillons waren, die die Kustoden trugen. »Die gehören Ihnen. Eines hatte Pavel. Das andere –« Cyprian ließ ein grimmiges Lächeln über sein Gesicht huschen, »hat ein Verrückter verloren, der vor zwanzig Jahren zehn Frauen und Kinder umbrachte. Als er das elfte Opfer erschlagen wollte, hat ihn einer seiner Genossen mit einer Armbrust erschossen. Natürlich kennen Sie die Geschichte, –«
    Der Abt stierte Cyprian an. Er hatte das Gefühl, in einen langen Tunnel zu blicken, und an seinem Ende blitzte kurz das Bild eines kleinen Jungen auf, der im nächsten Moment im Flirren eines Graupelschauers verschwand.
    »… auch wenn es scheint, dass sie in einem anderen Land und zu einer anderen Zeit passiert ist. Heben Sie das Ding gut auf. Mit ihm hat alles angefangen.«
    »Woher …«, stammelte der Abt.
    Cyprian blickte auf. »Da kommt der Bischof. Sie werden noch ein paar Dinge zu besprechen haben. Möge Gott Ihnen verzeihen.«
    »Ja«, flüsterte der Abt und hatte das Gefühl, erdrosselt zu werden. Die Medaillons glühten in seiner Hand wie eiskaltes Feuer. »Ich selbst kann es nicht.«
    2
    Grossinquisitor de Quiroga war irritiert über die Störung. Das Leben eines Mannes war zu kurz, um all die Aufgaben zu erfüllen, die Gott ihm stellte, und erst recht, um sich daneben noch um Dinge zu kümmern, für die man Untergebene hatte. Er war noch irritierter, als er den Grund für die Störung erfuhr.
    »Eine Brieftaube, Eminenz.«
    »Na und?«
    »Sie ist über die gregorianische Kette zu uns gelangt, Eminenz.«
    Die gregorianische Kette war ein Spinnennetz aus Stationen mit Brieftauben, durch das das Heilige Offizium Verbindung mit der halben Welt hielt. Es hatte seinen Namen von Papst Gregor IX., der erstmalig eine ständige Kommission zur Bekämpfung der Häresie eingesetzt hatte. Papst Gregor war derjenige gewesen, der die Dominikaner mit der Erfüllung der damit verbundenen Pflichten betraut hatte. Die Brieftauben der gregorianischen Kette zu nutzen stand nur Mitgliedern des Ordens frei.
    »Na und?«
    »Sie lässt sich bis nach Prag zurückverfolgen.«
    »Wen haben wir in Prag?«
    »Niemand, Eminenz.«
    »Gib her!«
    Der Großinquisitor überflog die Botschaft. Er brauchte das Pergament nicht, das sein Assistent ihm reichen wollte; in seinem Gehirn waren alle Codes, die das Heilige Offizium für seine Korrespondenz verwendete, ebenso gespeichert wie jede arglose Bemerkung jedes Zeitgenossen, dem er jemals begegnet war und die auf versteckte Ketzerei hindeuten mochte. Das lange, hakennasige Gesicht Kardinal de Quirogas wirkte stets müde und mit seinen hängenden Augenlidern fast ein wenig geistig minderbemittelt; eine willkommene Tarnung für einen messerscharfen, rastlosen Geist. Schließlich blickte er hoch. Sein Assistent richtete sich unwillkürlich stramm auf.
    »Wo gibt es die übelste Ketzerei, mein Sohn?«, fragte der
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