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Sommerferien in Peking

Sommerferien in Peking

Titel: Sommerferien in Peking
Autoren: Leela Wang
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Noch vor Weihnachten

    »Was riecht hier so gut? Habt ihr Kekse gebacken?« Papa ist gerade von seiner Arbeit zurückgekommen und steckt den Kopf durch die Küchentür.
    »Papa! Papa ist da!« Ricky klettert von seinem Stuhl herunter und schmeißt sich in Papas Bärenarme. Nach einem bärtigen Kuss lässt er meinen Bruder wieder auf den Boden.
    »Das hast du ja hübsch gemacht, Lisa«, begrüßt mich Papa lächelnd und schaut auf die Weihnachtsdekoration. Auf dem Tisch steht mein Weihnachtsteller, den ich in der Schule aus Tannenzapfen und roten Beeren gebastelt habe.
    »Ich weiß.« Ich lächle zurück und decke weiter den Tisch. Es sind nur noch ein paar Tage bis Weihnachten und Mamas Augen strahlen jetzt schon wie die Lichter am Weihnachtsbaum. »Stell dir vor, wir haben acht verschiedene Sorten Kekse gebacken!«, sagt sie stolz.
    Papa ist beeindruckt. »Da wart ihr aber fleißig!«
    »Tja«, Mama zuckt nur mit den Achseln, »nicht wirklich. Ich habe heute eine Keksparty veranstaltet. Sieben Feen waren zu Gast und jede hat eine Sorte Plätzchen gemacht.«
    Mama zwinkert Ricky und mir zu und streckt Papa eine Dose Kekse entgegen:
    »Schau sie dir mal an!«
    Papa bekommt große Augen: »Wirklich? Welche Feen?«
    Bevor Mama antworten kann, sagt Ricky schon laut und stolz: »Ich weiß es, Papa. Fee Lucy aus Schokoladenland, Fee Susi aus Zuckerland, Fee Althea aus Milchland und ... den Rest habe ich vergessen.«
    Typisch Mama, denke ich. Sie hat sich mal wieder eine Geschichte ausgedacht. Von Feen, Drachen oder Piraten kann sie erzählen, ohne auch nur mit der Wimper zu zucken. Und mein Bruder Ricky, der gerade mal drei Jahre alt ist, glaubt alles, was sie sagt. Doch die Keksparty hat Mama bestimmt wieder für den internationalen Klub organisiert. Und dass Tante Lucy in Wirklichkeit aus Kanada kommt, Tante Susi aus Schottland und Tante Althea aus Italien, das weiß ich ganz genau. Ich bin nämlich schon neun. Und Mama hat mir nach der ersten Kochparty des internationalen Klubs alle Länder auf der Weltkarte gezeigt, aus denen die Tanten kommen.
    »Aha«, lacht Papa, der bereits an solche Geschichten von Mama gewöhnt ist. »Sind die Florentiner von der Mama Fee?«
    Schon beißt er in einen hinein: »Hmm, lecker. Die sind aber wirklich groß!« Das stimmt. Mamas Kekse sind mindestens doppelt so groß wie alle anderen Kekse.
    Bevor Papa noch einen weiteren Keks nehmen kann, kriegt er einen Klaps auf die Hand.
    Papa zieht die Hand zurück: »Was? Groß ist doch schön – wie der Kaiserpalast, der Große Buddha von Leshan, die Chinesische Mauer ...«
    »Und meine ehemalige Schule in Peking!«, bringe ich Papas Satz zu Ende.
    Mama wirft mir einen kurzen Blick zu, dann kann sie sich ein Kichern nicht mehr verkneifen: »O.K. Aber nimm nicht so viel. Die Kinder haben schon fast eine ganze Keksdose aufgefuttert und ich will doch noch etwas nach Peking schicken.«
    Plätzchen backen ist nicht gerade Mamas Stärke. Sie hat es erst in Deutschland von Tante Peggy Morgenstern gelernt, der Mama von Max. Tante Peggy ist Mamas beste Freundin und wir wohnen in demselben Doppelhaus – wir auf der Ostseite und Morgensterns auf der Westseite. Aber dass Tante Peggy und Mama sich so gut verstehen, liegt wohl auch daran, dass Max’ Papa in Peking arbeitet. Meine Mama kommt nämlich aus Peking und nach meiner Geburt haben wir zuerst ein paar Jahre in Deutschland gelebt und sind anschließend nach Peking gezogen. Wir haben dort drei Jahre lang gewohnt. Viel zu kurz, wenn man mich fragt. InSchönau, dem kleinen Vorort, in dem wir jetzt wohnen, gibt es nur eine einzige Chinesin, meine Mama. Und das, obwohl mehr als 1,3 Milliarden Chinesen auf der Welt leben!
    Auf jeden Fall ist Tante Peggy oft bei uns – mit Max, natürlich.
    Max ist jetzt zehn Jahre alt und geht mit mir in die gleiche Schule. Als wir von China hierher gezogen sind, habe ich ihn gleich wiedererkannt. Er hat immer noch so blonde, lockige Haare. Neu ist, dass er jetzt fast jeden Tag Fußball spielt und einen Golden Retriever, Sandy, hat.
    Mama sagt oft: »Was für ein Glück, dass wir Morgensterns neben uns haben ...« An manchen schönen Sommerabenden sitzen meine Mama und Tante Peggy einfach nur auf der Treppe vor unserem Doppelhaus und unterhalten sich. So lange, bis sie Abendbrot machen müssen. Dabei kichern sie ab und zu laut – wie zwei kleine Mädchen. Was ich nicht verstehen kann: Wenn die Erwachsenen zusammenkommen, dann unterhalten sie sich nur. Sie reden und reden
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